Entscheidungsstichwort (Thema)
Antragstellung. Beiordnung. besondere Schwierigkeit. Bewilligung. Stellungnahme. Hauptverhandlung. Umfang. Vereinigung. Zweiter Pflichtverteidiger. terroristische Vereinigung
Leitsatz (amtlich)
1. Besondere Schwierigkeit und besonderer Umfang i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG werden jedenfalls nicht durch das Stellen von Anträgen in der Hauptverhandlung herbeigeführt, die den Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschreiten (hier u.a.: Rechtshilfeersuchen an al Baghdadi und Vernehmung einer Zeugin durch den Sharia-Richter des IS in Raqqa) (Abgrenzung OLG Hamm Beschluss vom 23. Juli 2012 - 5 RVGs 65/12, OLG Köln Beschluss vom 02. Dezember 2005 - 2 ARs 223/05)
2. Beschränkt sich die Revisionsbegründung auf Rechtsfragen, die bereits Gegenstand der erstinstanzlichen Verhandlung waren, scheidet die Bewilligung einer Pauschgebühr für diesen Verfahrensabschnitt aus. (Anschluss BGH Beschluss vom 03.04.2007 3 StR 486/06 ).
Normenkette
RVG § 51 Abs. 1; StGB §§ 34-35; GVG § 122 Abs. 2 S. 2; StPO § 244 Abs. 5 S. 2; BRAO § 53 Abs. 2
Tenor
Der Antrag von Rechtsanwalt ...auf Bewilligung einer Pauschgebühr wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsteller war ab 05. 11.2015 schriftlich bevollmächtigter Verteidiger des inzwischen rechtskräftig verurteilten A. ... und wurde am selben Tag durch Beschluss des Ermittlungsrichters beim BGH zum Pflichtverteidiger bestellt. Zudem besuchte im Verfahren Rechtsanwältin ... zunächst auf Bitten des Antragstellers den damals Beschuldigten und übernahm gemäß Vertretungsanzeige vom 08.02.2016 aufgrund schriftlicher Vertretungsvollmacht vom 05.02.2016 die Wahlverteidigung. Sie machte mit Schreiben vom 12.05.2016 geltend, dass aufgrund der lang andauernden Hauptverhandlung mit 18 angesetzten Terminen die Beiordnung eines weiteren Verteidigers zur Sicherstellung der Durchführung der Hauptverhandlung geboten sei und wurde mit Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 23.05.2017 zu Verfahrenssicherung als zweite Pflichtverteidigerin bestellt. Im Revisionsverfahren beauftragte der Angeklagte mit schriftlicher Vollmacht vom 07.08.2017 zudem Rechtsanwalt ....
Mit Schreiben vom 20.04.2017 macht der Antragsteller gemäß § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschgebühr "anstelle der gesetzlichen Gebührentatbestände VV 4100, 4101 und 4119,4120 für das Lesen und die Einarbeitung in die Ermittlungsakten" von 15.360 € (netto) und für die Tätigkeiten in der Hauptverhandlung von mindestens 34.332,75 € (netto) jeweils nach Abzug der bereits festgesetzten bzw. ausbezahlten Pflichtverteidigergebühren geltend. Für die 24 von ihm wahrgenommenen Hauptverhandlungstermine setzt er dabei jeweils 1500 €/ Tag an. Für die "Tätigkeiten in der Revision" begehrt er 10.000 € (netto).
Die Bezirksrevisorin wurde angehört; dem Antragsteller wurde Gelegenheit zur Stellungnahme hierauf gegeben.
II. Eine Pauschgebühr kann nicht bewilligt werden.
A.
Eine Pauschgebühr kann nur gewährt werden, wenn das Verfahren besonders umfangreich oder schwierig ist und zudem die verfassungsrechtlich zumutbare Grenze eines Sonderopfers infolge der Heranziehung als Pflichtverteidiger überschritten wird. Die Bewilligung einer Pauschgebühr stellt dabei die Ausnahme dar; die anwaltliche Mühewaltung muss sich von sonstigen - auch überdurchschnittlichen Sachen - in exorbitanter Weise abheben (BGH 4 StR 73/10 Beschluss vom 11.02.2014 Rdn. 5 zit. nach juris). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Hinzu kommt - sofern der Antrag auf die Gewährung von Pauschgebühren für verschiedene Verfahrensabschnitte gerichtet ist - dass nicht lediglich eine isolierte Betrachtung der Gebühren für einen Verfahrensabschnitt vorzunehmen ist. Die Pauschgebühr für eine anwaltliche Tätigkeit in einem Verfahrensabschnitt muss in Relation zu der gesamten Tätigkeit im Verfahren und den gesamten Gebühren des Pflichtverteidigers gesehen werden (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Dezember 2016 - III-5 RVGs 79/16 Rdn. 8 zit. nach juris). Hiernach kam die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht in Betracht.
B. Besonderer Umfang
Der Aktenumfang, dem eine gewisse Indizwirkung für die Frage des bedeutenden Umfangs i.S.d. § 51 Abs. 1 S. 1 RVG zukommt, war mit 11 Bänden bis zur Anklageerhebung überschaubar. Eine gewisse Kompensation des Umfangs wird bereits durch die - hier erfolgte - Beiordnung eines zweiten Pflichtverteidigers bewirkt (s. Nachweise bei Burhoff/Volpert RVG Straf- und Bußgeldsachen 5. A § 51 Rdn. 164).
C. Besondere Schwierigkeit
Eine besondere Schwierigkeit i.S.d. § 51 Abs. 1 S.1 RVG lag nicht vor. Der Schwierigkeitsgrad einer Staatsschutzsache ist zumindest im Grundsatz bereits durch die erhöhten Verfahrens- und Terminsgebühren für Verfahren im ersten Rechtszug vor den Oberlandesgerichten berücksichtigt (Burhoff/Volpert aaO Rdn. 36 bezogen auf die ebenfalls von VV RVG 4118 erfassten Schwurgerichtssachen und Wirtschaftsstrafsachen), ebenso wie die sogenannten Haftzuschläge bei dem inhaftierten Mandanten eine gewisse Kompensation des hierdurch erhöhten Aufwandes intendieren. Der...