Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.12.2015; Aktenzeichen 27 O 430/15)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2015 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern. Das Landgericht hat der auf Unterlassung von Wort- und Bildberichterstattung sowie Zahlung von Schadenersatz gerichteten Klage zu Recht stattgegeben. Auf die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.

1. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gestützter Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Wortberichterstattung (Klageantrag zu Ziffer I. 1.) zu, weil diese rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger eingreift.

Das Landgericht geht unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht und mit zutreffender Begründung davon aus, dass die streitgegenständliche Berichterstattung einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kläger darstellt, dem auf Seiten der Beklagten keine derart gewichtigen Informationsinteressen gegenüberstehen, die diesen als gerechtfertigt erscheinen lässt.

Die Berichterstattung über den Abschiedsgruß der Kläger auf dem Grab ihres Sohnes und die Beschreibung der Gestaltung des Grabes betreffen die Privatsphäre der Kläger.

Dies gilt zum einen in thematischer Hinsicht, weil es sich bei der Aufschrift auf der Kranzschleife um einen höchstpersönlichen Ausdruck der Gefühlswelt und individuellen Trauer der Kläger handelt, die das Recht haben, mit der Trauer um ihren verstorbenen Sohn allein zu bleiben und "in Ruhe gelassen zu werden" (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 26.02.2008, NJW 2008, 1793). Dem steht - anders als die Beklagte meint - nicht entgegen, dass sich der Abschiedsgruß auf einer Trauerschleife an die Öffentlichkeit wendet. Zu Recht geht das Landgericht nämlich davon aus, dass das Niederlegen eines Trauerkranzes und die Beschriftung der Schleife nach der Verkehrsauffassung nicht den Charakter einer "Öffentlichmachung" hat, sondern allein für die unmittelbar Anwesenden bestimmt ist. Dies gilt hier umso mehr, als der Friedhof für die Zeit der Beerdigung komplett für die Öffentlichkeit gesperrt war. Dass der niedergelegte Kranz nach Freigabe des Friedhofs für die Öffentlichkeit von Besuchern wahrgenommen werden kann, rechtfertigt nicht die Annahme, dass sich die Aufschrift nunmehr an die Öffentlichkeit wendet. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass Grabkränze lediglich temporär auf dem Grab verbleiben. Anders als die Beklagte meint, waren die Kläger deshalb auch nicht gehalten, den Kranz nach der Beerdigung und vor Freigabe des Friedhofs für die Allgemeinheit wieder zu entfernen. Zu Recht geht das Landgericht davon aus, dass die Aufschrift sich im Rahmen des allgemein Üblichen bewegt und keinen Bezug zu den Hintergründen des Todes des Sohns der Kläger offenbart. Daher ist insoweit anzunehmen, dass ein zufälliger Besucher des Grabes, den Abschiedsgruß auf der Trauerschleife nicht den Klägern zuordnet und ihn auch schon deshalb nicht als an die Öffentlichkeit gerichtet wahrnimmt. Das Landgericht geht im Übrigen auch zu Recht davon aus, dass die Kläger wegen der weitgehenden Anonymisierung des Grabes durch die bloße Angabe des Kosenamens des Verstorbenen und seines Todesjahres alles unternommen haben, um den Abschiedsgruß nicht als eine an die Öffentlichkeit oder einen größeren Personenkreis gewandte Äußerung erscheinen zu lassen.

Auch wenn es sich - wie die Beklagte meint - bei der Aufschrift auf der Kranzschleife um einen keine Besonderheiten aufweisenden Wortlaut handelt, macht die Berufung zu Unrecht geltend, dass die Wiedergabe der Aufschrift nicht über die Mitteilung der Kranzniederlegung als solche hinausgeht. Dies ist gerade nicht der Fall. Denn der Aufschrift ist ein klarer Hinweis auf die Gefühle der Kläger und ihre familiäre und emotionale Beziehung zu dem Verstorbenen zu entnehmen.

Zu Recht geht das Landgericht auch davon aus, dass bezüglich der Mitteilung der Gestaltung des Grabes die thematische und räumliche Dimension der Privatsphäre betroffen sind.

Die Kläger haben auch insoweit ein Recht darauf, mit der Trauer um den Verlust ihres Sohnes allein zu bleiben und in Ruhe gelassen zu werden. Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass dieses Recht geschmälert wird, wenn einem breiten Publikum Details über die Grabstätte mitgeteilt werden und damit die Gefahr geschaffen wird, dass diese von Dritten aufgesucht wird, von ...

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