Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 03.12.2015; Aktenzeichen 27 O 430/15)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 10.11.2020; Aktenzeichen VI ZR 62/17)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 3. Dezember 2015 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 27 O 430/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Wert der Berufung wird auf 60.000,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von der Beklagten die Unterlassung der Veröffentlichung von Bildern, die anlässlich der Beerdigung aufgenommene Fotos der Grabstelle des Sohnes der Kläger zeigen, sowie die Mitteilung der Aufschrift auf der Trauerschleife des von ihnen niedergelegten Kranzes und Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf die Feststellungen im Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Die Beklagte ist der Auffassung, das Landgericht habe der Klage zu Unrecht stattgegeben. Mit der Wortberichterstattung nehme sie ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse war, das die Interessen der Kläger überwiege. Angesichts der Umstände, betreffe dieses auch den Abschiedsgruß der Kläger. Dieser unterfalle schon nicht der thematischen Dimension der besonders geschützten Privatsphäre. Der Abschiedsgruß auf der Trauerschleife sei - jedenfalls nach Freigabe des Friedhofs - eine an die Öffentlichkeit gerichtete Botschaft. Der Inhalt weise keine Besonderheiten auf. Zudem habe das Landgericht verkannt, dass auch die räumliche Dimension der Privatsphäre nicht betroffen sei. Eine erhebliche Anlock- oder Anreizwirkung sei nicht zu befürchten. Ein öffentlicher Friedhof sei auch kein derart bedeutsamer Rückzugsort wie die eigene Wohnung. Auch die Verbreitung der Fotos sei aus den vorgenannten Gründen hinzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Berlin vom 3. Dezember 2015 - 27 O 430/15 - die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

Der Senat hat die Beklagte mit Beschluss vom 16. Januar 2017 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, und ihr Gelegenheit zur Stellungname gegeben. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 20. Januar 2017 vorgetragen, dass es sich bei dem Abschiedsgruß um einen Vorgang aus der Sozialsphäre handele. Selbst wenn die Privatsphäre betroffen wäre, bestünde ein weit überwiegendes Berichtsinteresse.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II. Die zulässige Berufung der Beklagten war gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie aus den Gründen des Beschlusses des Senats vom 16. Januar 2017 offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung beigemessen werden kann, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

In dem Beschluss vom 16. Januar 2017 hat der Senat Folgendes ausgeführt:

"1. Den Klägern steht gegen die Beklagte ein auf §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG gestützter Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Wortberichterstattung (Klageantrag zu Ziffer I. 1.) zu, weil diese rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger eingreift.

Das Landgericht geht unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Recht und mit zutreffender Begründung davon aus, dass die streitgegenständliche Berichterstattung einen schwerwiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Kläger darstellt, dem auf Seiten der Beklagten keine derart gewichtigen Informationsinteressen gegenüberstehen, die diesen als gerechtfertigt erscheinen lässt.

Die Berichterstattung über den Abschiedsgruß der Kläger auf dem Grab ihres Sohnes und die Beschreibung der Gestaltung des Grabes betreffen die Privatsphäre der Kläger.

Dies gilt zum einen in thematischer Hinsicht, weil es sich bei der Aufschrift auf der Kranzschleife um einen höchstpersönlichen Ausdruck der Gefühlswelt und individuellen Trauer der Kläger handelt, die das Recht haben, mit der Trauer um ihren verstorbenen Sohn allein zu bleiben und "in Ruhe gelassen zu werden" (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 26.02.2008, NJW 2008, 1793). Dem steht - anders als die Beklagte meint - nicht entgegen, dass sich der Abschiedsgruß auf einer Trauerschleife an die Öffentlichkeit wendet. Zu Recht geht das Landgericht nämlich davon aus, dass das Niederlegen eines Trauerkranzes und die Beschriftung der Schleife nach der Verkehrsauffassung nicht den Charakter einer "Öffentlichmachung" hat, sondern allein für die unmittelbar Anwesenden bestimmt ist. Dies gilt hier umso mehr, als der Friedhof für die Zeit der Beerdigung komplett für die Öffentlichkeit gesperrt war. Dass der niedergelegte Kranz nach Freigabe des Friedhofs für die Öffentlichkeit von Besuchern wahrgenommen werden kann, rec...

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