Entscheidungsstichwort (Thema)
Sex-Shop in Teileigentum. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Ermächtigt die Wohnungseigentümergemeinschaft den Verwalter zur gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen einen vermietenden Teileigentümer, klagt der beauftragte Rechtsanwalt jedoch auf Beendigung des Mietverhältnisses, ist Verfahrensgegenstand auch der Unterlassungsanspruch. Die Wohnungseigentumsgerichte haben in diesem Falle auf eine sachdienliche Antragsänderung hinzuwirken.
2. Das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 14 Nr. 1 WEG erlaubt dem Teileigentümer oder dessen Mieter in Gewerberäumen nur den Betrieb eines ladenmäßigen Erotik-Fachgeschäfts mit Videothek, jedenfalls sofern in der Wohngegend ähnliche Geschäfte und Nachtclubs vorhanden sind, nicht aber die Vorführung von Sexfilmen mit Einzelkabinenbetrieb (Sex-Shop).
Normenkette
WEG § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3; BGB § 1004; ZPO § 139
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 87 T 447/97) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II 192/97) |
Nachgehend
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Berlin zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten dritter Instanz zu befinden hat.
Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht entstanden.
In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird der Geschäftswert für alle drei Instanzen auf 30.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin ist die Verwalterin der im Rubrum bezeichneten Wohnungseigentumsanlage, die aus einem Altbau mit 2 Gewerbeeinheiten sowie 18 Wohneinheiten besteht und in der City West gelegen ist. Die Rechtsverhältnisse der Miteigentümer sind in der Teilungserklärung vom 20. Juli 1984 geregelt. In § 3 Nr. 5 der Teilungserklärung heißt es: „Jeder Teileigentümer ist berechtigt, in den zu seinem Teileigentum gehörenden Räumen eine gewerbliche Tätigkeit auszuüben. Die Ausübung eines Gewerbes, welches mit Gefahren oder Belästigungen für die übrigen Eigentümer verbunden sein kann, bedarf der Einwilligung des Verwalters. Die Vorschriften der Absätze 2, 3 und 4 gelten im Übrigen entsprechend.” Unter Nr. 3 heißt es, dass die Zustimmung (= Einwilligung des Verwalters) nur aus einem wichtigen Grund verweigert bzw. auch von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden kann. Als wichtiger Grund soll insbesondere gelten, „wenn die Ausübung des Gewerbes oder Berufes eine unzumutbare Beeinträchtigung anderer Eigentümer oder Hausbewohner z.B. durch Publikumsverkehr oder auf andere Weise befürchten lässt oder wenn sie den Charakter als Wohnhaus beeinträchtigt.”
Der Antragsgegner ist Teileigentümer der im Aufteilungsplan zur Teilungserklärung mit Nr. 4 bezeichneten Teileigentumseinheit mit einer Größe von 162,19 m², bestehend aus insgesamt 4 Räumen, die im Aufteilungsplan als „Laden” bezeichnet sind. Die Räume dieser im Erdgeschoss des Vorderhauses und des Seitenflügels belegenen Teileigentumseinheit sind mit großen Schaufenstern versehen und können über einen separaten, vom Hauseingang getrennten Zugang betreten werden. Die Zimmer der zweiten Teileigentumseinheit sind im Aufteilungsplan als „Ladenverkauf, Zimmer, Flur, Küche, Lager” beschrieben. Durch Mietvertrag vom 15. Februar 1996, in dem auch eine Untervermietung gestattet wird, vermietete der Antragsgegner die Teileigentumseinheit Nr. 4, in der zuvor ein Friseurgeschäft betrieben worden war, nach den Regelungen im Mietvertrag zum „Verkauf und Verleih von Videokassetten, Magazinen und Waren aus dem ehehygienischen Bereich, sowie die Vorführung von Videos in Münzkabinen”. Entsprechend diesem Bestimmungszweck werden die Räume täglich bis 24 Uhr und auch sonntags genutzt. Die durch geschlossene Vertikal-Jalousien vor Einblicken von Außen geschützten Schaufensterscheiben sind mit als Neonröhren ausgestalteten Schriftzügen mit den Aufschriften „Erotik-Shop”, „Video-Movie”, „64 Programme, Video-Kabinen” versehen. Ferner befindet sich in der Nähe der Eingangstür ein Ladenschild mit der ebenfalls in Neon-Röhren gehaltenen Aufschrift „Go up, Shop, Video-Kabinen” sowie die beleuchtete Silhouette eines roten Mundes. Unstreitig befindet sich im Erdgeschoss des etwa 20 m von der Wohnanlage entfernten Hauses Nr. 15 ein branchengleiches Geschäft und wird am Ende der Straße in etwa 150–200 m Entfernung ein Nachtclub betrieben. Weitere Nachtclubs und vergleichbare Etablissements sind in der angrenzenden Straße angesiedelt.
In der Eigentümerversammlung vom 23. April 1997 fassten die Eigentümer mehrheitlich zu TOP 13 folgenden Beschluss: „Es wird der Beschluss gefasst, die Verwalterin zu beauftragen, im Namen der Eigentümergemeinschaft gegen den Miteigentümer (Antragsgegner) die Klage auf Unterlassung des durch die Eröffnung des Sex-Shops (Videoshop mit Filmkabinen) entstandenen Nachteils durch Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zu erheben.”
Mit der Antragsschrift begehrt die Antragstellerin in Verfahrenss...