Leitsatz (amtlich)
1. Die Unbilligkeit im Sinne des § 19 Abs. 3 VersAusglG ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil der über ausländische Anwartschaften verfügende Ehegatte (hier: der Ehemann) daneben ausgleichsreife inländische Anwartschaften erworben hat, deren Wert über dem Wert der inländischen Anrechte des anderen Ehegatten (hier: der Ehefrau) liegt. Allein dadurch, dass der Ehefrau die Hälfte des ehezeitlichen Anrechts des Ehemannes in der allgemeinen Rentenversicherung übertragen wird, ist dem Halbteilungsgrundsatz nicht hinreichend Rechnung getragen.
2. Von der Ermittlung der Höhe der ausländischen Anwartschaften kann deshalb nicht abgesehen werden.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 13.07.2015; Aktenzeichen 21 F 62/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde der früheren Ehefrau wird die Sache unter Aufhebung des Beschlusses des AG Schöneberg (Familiengericht) vom 13.7.2015 und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverwiesen.
Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren der erstinstanzlichen Schlussentscheidung vorbehalten.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.960 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die frühere Ehefrau wendet sich mit ihrer am 6.8.2015 bei dem AG Schöneberg eingegangenen Beschwerde gegen dessen ihren Verfahrensbevollmächtigten am 17.7.2015 zugestellten Beschluss vom 13.7.2015, auf den der Senat hinsichtlich der Gründe zu I. Bezug nimmt. Das AG hat für die früheren Eheleute folgende Anrechte ermittelt:
(1) Anrecht des früheren Ehemannes in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 18,9564 Entgeltpunkten. Nach dem Vorschlag der Deutschen Rentenversicherung Bund ist der Ausgleichswert mit 9,4782 Entgeltpunkten zu bestimmen und beträgt der Kapitalwert nach § 47 VersAusglG 61.034,10 Euro.
(2) Die Höhe der in Österreich erworbenen Anwartschaften des früheren Ehemannes hat das AG nicht ermittelt.
(3) Anrecht der früheren Ehefrau in der allgemeinen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 6,9972 Entgeltpunkten. Nach dem Vorschlag der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd ist der Ausgleichswert mit 3,4986 Entgeltpunkten zu bestimmen und beträgt der Kapitalwert nach § 47 VersAusglG 22.528,95 Euro.
(4) Fiktive österreichische Pension der früheren Ehefrau bei der österreichischen Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von monatlich 5,33 Euro.
Die zur Stellungnahme auf die den Beteiligten übersandte Berechnung des Versorgungsausgleichs gesetzte Frist hat das AG den Verfahrensbevollmächtigten der früheren Ehefrau antragsgemäß bis zum 10.7.2015 verlängert. Am 13.7.2015 hat es den angefochtenen Beschluss erlassen und den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt, dass es die beiden Anwartschaften der früheren Eheleute in der allgemeinen Rentenversicherung jeweils im Wege interner Teilung ausgeglichen und schuldrechtliche Ausgleichsansprüche vorbehalten hat. Die Durchführung des Wertausgleichs bei der Scheidung sei - so die Begründung des AG - trotz der auf beiden Seiten bestehenden ausländischen, nicht ausgleichsreifen Anrechte nicht unbillig im Sinne des § 19 Abs. 3 VersAusglG, weil der "hinsichtlich der inländischen Anrechte ausgleichsberechtigte Ehegatte" - hier die frühere Ehefrau - nicht die höheren ausländischen Anrechte erworben habe; der "ausgleichspflichtigte geschiedene Ehemann" habe hier auch die höheren österreichischen Anrechte erworben.
Mit am selben Tag bei dem AG eingegangenem Schriftsatz vom 14.7.2015 hat die frühere Ehefrau beantragt,
1. Auskünfte über die ausländischen Versorgungsanwartschaften der Beteiligten direkt oder über die Beteiligten selbst einzuholen,
2. den früheren Ehemann zu verpflichten, an die frühere Ehefrau eine Abfindung für nicht ausgleichsreife Anrecht zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, und
3. den früheren Ehemann zu verpflichten, den Fragebogen zum Versorgungsausgleich in Ziffer 10. dahingehend zu berichtigen, dass eine Vereinbarung zum Versorgungsausgleich nicht abgeschlossen worden sei.
Wegen des zur Begründung dieser Anträge - sowie zugleich der Beschwerde - Vorgetragenen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt des (zweiten) Schriftsatzes vom 14.7.2015 (Blatt 116a ff. der Akten).
Der frühere Ehemann hält die Beschwerde für unzulässig und unbegründet.
II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere in der gesetzlichen Frist und Form (§§ 63 Abs. 1 und 3, 64 Abs. 1 und 2 FamFG) und gemäß § 228 FamFG nicht von dem Erreichen eines bestimmten Wertes des Beschwerdegegenstandes abhängige Beschwerde ist begründet und führt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens zur Zurückverweisung der Sache an das AG.
1. Die in jeder Lage des Verfahrens und damit auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte (BGH, Beschluss vom 30...