Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung
Leitsatz (amtlich)
Zum Bewährungswiderruf bei wiederholter Begehung von Delikten der leichteren Kriminalität
Normenkette
StGB § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 30.11.2022; Aktenzeichen 599 StVK 222/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 30. November 2022 wird verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
1. Das Amtsgericht Düsseldorf verurteilte die Beschwerdeführerin am 31. Januar 2018 (rechtskräftig seit dem 31. Januar 2018) wegen Diebstahls in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es auf die Dauer von drei Jahren zur Bewährung aussetzte. Zudem machte es ihr zur Auflage, binnen drei Monaten eine eingereichte Bewerbung für das betreute Wohnen bei Gericht vorzulegen, die ihrerseits erforderlichen Mitwirkungshandlungen zur Aufnahme einer ambulanten Verhaltenstherapie binnen drei Monaten zu dokumentieren und die Weisungen der ihr bestellten Bewährungshelferin zu befolgen. Durch Beschluss vom 29. August 2019 (rechtskräftig seit dem 12. September 2019) führte das Amtsgericht Düsseldorf Strafen aus drei Verurteilungen, darunter die Einzelfreiheitsstrafen aus der Verurteilung vom 31. Januar 2018, nachträglich auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten zurück, die es zur Bewährung aussetzte. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Die weiteren Anordnungen im Bewährungsbeschluss vom 31. Januar 2018 wurden aufrechterhalten.
2. Auch im Laufe der Bewährungszeit ist die Beschwerdeführerin erneut straffällig geworden.
a) Am 8. Februar 2019 (rechtskräftig seit dem 16. Februar 2019) verurteilte das Amtsgericht Düsseldorf sie wegen eines am 13. Juli 2018 begangenen Diebstahls geringwertiger Sachen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
b) Am 26. Februar 2019 (rechtskräftig seit dem 6. März 2019) verurteilte das Amtsgericht Mülheim sie wegen eines am 7. Mai 2018 begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
c) Am 3. Dezember 2020 (rechtskräftig seit dem 20. Januar 2021) verurteilte sie das Amtsgericht Duisburg-Ruhrort wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,00 Euro. Die Tat hatte sie am 20. Oktober 2020 begangen.
d) Am 28. September 2020 (rechtskräftig seit dem 23. Oktober 2021) verurteilte sie das Amtsgericht Velbert wegen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten. Die Beschwerdeführerin hatte am 24. Oktober 2019 gegen 8.39 Uhr aus den Auslagen der Firma R vier Packungen Lebensmittel im Gesamtwert von 4,68 Euro entwendet, indem sie die Ware nahm und in ihre Handtasche steckte. Anschließend hatte sie den Kassenbereich passiert, ohne die Ware zu bezahlen.
3. Mit Beschluss vom 16. Juli 2019 (rechtskräftig seit dem 27. Juli 2019) bildete das Amtsgericht Mülheim aus den oben genannten Strafen zu 2. a) und b) eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und einem Monat, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung ist zwischenzeitlich widerrufen worden. Die Verurteilte verbüßt diese Strafe seit dem 8. Juli 2022, in Unterbrechung der seit dem 28. Januar 2022 vollstreckten achtmonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Velbert. Anschlussnotiert ist - nach Bewährungswiderruf - eine Jugendstrafe von acht Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 5. Januar 2016 wegen Diebstahls in sechs Fällen, falscher Verdächtigung, Urkundenfälschung in zwei Fällen, versuchten Betruges und Leistungserschleichung. Strafende insgesamt ist daher voraussichtlich der 28. Juni 2024.
Im Hinblick auf die Verurteilungen zu c) und d) hat das Landgericht Berlin mit Beschluss vom 30. November 2022 die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Verurteilten.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 453 Abs. 2 Satz 3, § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO). Sie hat jedoch aus den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen vor. Die Beschwerdeführerin hat innerhalb der Bewährungszeit mehrfach - darunter auch einschlägige - Straftaten begangen. Sie wurde deshalb in der Phase zwischen der Strafaussetzungsentscheidung aus dem einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2018 und dem Erlass der nachträglichen Gesamtstrafenentscheidung des Amtsgerichts Düsseldorf vom 29. August 2019 (§ 56f Abs. 1 Satz 2 StGB) zu zwei Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde s...