Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbscheinserteilung durch Rechtspfleger bei Testament mit Erbeinsetzung. Erbscheinserteilung durch Rechtspfleger
Leitsatz (amtlich)
1. Wird nach Erbscheinserteilung durch den Rechtspfleger aufgrund gesetzlicher Erbfolge ein Testament aufgefunden, das eine Erbeinsetzung enthält, so ist der Erbschein auch dann als unrichtig einzuziehen, wenn die sich aus dem Testament ergebende Erbfolge mit der gesetzlichen Erbfolge übereinstimmt.
2. Bei Anfechtung der Erbschaftsannahme genügt für den Fristbeginn gem. § 1954 Abs. 2 S. 1 BGB die Kenntnis eines Bevollmächtigten des Erben vom Anfechtungsgrund dann, wenn die Vollmacht auch die Regelung der Erbschaftsangelegenheit umfasst.
Leitsatz (redaktionell)
Wird nach Erbscheinserteilung durch den Rechtspfleger auf Grund gesetzlicher Erbfolge ein Testament aufgefunden, das eine Erbeinsetzung enthält, so ist der Erbschein auch dann als unrichtig einzuziehen, wenn die sich aus dem Testament ergebende Erbfolge mit der gesetzlichen Erbfolge übereinstimmt.
Normenkette
BGB § 2361 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 14.06.2001; Aktenzeichen 83 T 198/01) |
AG Berlin-Spandau (Beschluss vom 22.02.2001; Aktenzeichen 61 VI 607/97) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des AG Spandau vom 22.2.2001 werden aufgehoben.
Das AG Spandau wird angewiesen, den der früheren Beteiligten am 2.9.1997 erteilten Erbschein einzuziehen.
Tatbestand
Der Rechtspfleger des Nachlassgerichts erteilte der früheren Beteiligten, der Ehefrau des im Juli 1997 verstorbenen Erblassers, auf ihren Antrag im September 1997 einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der sie als dessen Alleinerbin ausweist. Im November 1997 wurde ein Testament des Erblassers vom 25.2.1990 aufgefunden und eröffnet, das die Alleinerbeinsetzung seiner Ehefrau, ersatzweise seines Stiefvaters bzw. seiner Cousine enthält. Der Richter des Nachlassgerichts verfügte daraufhin, dass es bei dem Erbschein bleiben solle. Mit notariell beglaubigter Erklärung vom 10.8.2000 erklärte die frühere Beteiligte die Anfechtung der Annahme der Erbschaft wegen Irrtums über die Überschuldung des Nachlasses. Zur Begründung berief sie sich auf die am 5.7.2000 eingetretene Bestandskraft der Einspruchsentscheidung des Finanzamts Oranienburg vom 31.5.2000 betreffend die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1994, aus dem sich die Überschuldung ergeben habe. Das Nachlassgericht - Richter - hat die Einziehung des Erbscheins abgelehnt. Das LG hat die Beschwerde der früheren Beteiligten zurückgewiesen. Es hat ihre Anfechtungserklärung als verspätet angesehen, weil die Anfechtungsfrist spätestens mit Zugang der Einspruchsentscheidung bei ihrem Steuerberater am 5.6.2000 begonnen habe, dessen Kenntnis ihr gem. § 166 BGB zuzurechnen sei. Nach Einlegung der weiteren Beschwerde ist die frühere Beteiligte verstorben. Das von ihren Erben fortgeführte Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Anweisung an das Nachlassgericht, den Erbschein einzuziehen.
Entscheidungsgründe
Die mit dem Ziel der Einziehung des die frühere Beteiligte als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins vom 2.9.1997 eingelegte weitere Beschwerde ist gem. §§ 27, 29 FGG zulässig. Die Beschwerdebefugnis der früheren Beteiligten ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass ihre Erstbeschwerde erfolglos geblieben ist. Durch den während des Verfahrens der weiteren Beschwerde eingetretenen Tod der früheren Beteiligten ist keine Unterbrechung des Verfahrens eingetreten; das Verfahren ist vielmehr mit ihren Rechtsnachfolgern fortzuführen (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 66; Jansen, FGG, 2. Aufl., Vorbem. §§ 8-18, Rz. 37; Keidel/Schmidt, FGG, 15. Aufl., § 12 Rz. 115). Da die jetzigen Beteiligten durch den Erbschein des AG Charlottenburg vom 23.1.2003 als Miterben der früheren Beteiligten ausgewiesen sind, sind sie nunmehr an diesem Verfahren beteiligt.
Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand und ist daher aufzuheben (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. 546 f. ZPO). Da weitere Ermittlungen nicht erforderlich sind, kann der Senat selbst in der Sache entscheiden (§§ 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. 563 Abs. 3 ZPO). Dies führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Anweisung an das AG, den erteilten Erbschein einzuziehen.
Rechtlich richtig ist das LG zunächst von der Zulässigkeit der Erstbeschwerde der früheren Beteiligten ausgegangen. Insbesondere ist ihre Beschwerdebefugnis gegeben. Die mit dem Ziel der Einziehung des Erbscheins eingelegte Beschwerde steht gem. § 20 Abs. 1 FGG jedem zu, der durch die Erteilung des Erbscheins in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Durch den Inhalt des Erbscheins beeinträchtigt ist der im Erbschein ausgewiesene Erbe, der geltend macht, er sei nicht Erbe geworden, und zwar selbst dann, wenn ihm der Erbschein zuvor auf seinen Antrag hin erteilt worden ist (vgl. BGH BGHZ 30, 261 = NJW 1959, 1730; KG...