Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugenentschädigung für Verdienstausfall und Vertretungskosten bei Bestellung eines auf eigene Rechnung handelnden Vertreters
Leitsatz (amtlich)
1. Bestellt ein Zeuge für die Zeit seiner Abwesenheit aufgrund der gerichtlichen Ladung einen Vertreter, der nicht von ihm zu vergüten ist, sondern die vorgesehenen Leistungen auf eigene Rechnung erbringt, so sind dem Zeugen keine gem. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSEG zu ersetzenden Vertretungskosten entstanden.
2. Dem Zeugen ist für den infolge der Erbringung der Leistungen durch seinen Vertreter entstandenen Verdienstausfall eine Entschädigung zu gewähren, die gem. § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG auf den Höchstsatz von 13 Euro für jede versäumte Arbeitsstunde begrenzt ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 11.08.2003; Aktenzeichen 34 O 171/02) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses wird die der Beteiligten zu 1) zu gewährende Zeugenentschädigung auf 104 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist gem. § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig. Sie hat in der Sache auch Erfolg. Der Beteiligten zu 1) kann keine höhere Entschädigung als 104 Euro (für 8 Stunden zu je 13 Euro) gewährt werden.
Bei dem von der Beteiligten zu 1) mit Rechnung vom 14.4.2003 geltend gemachten "verlorenen Umsatz" i.H.v. 1.324,78 Euro handelt es sich - entgegen der Auffassung des LG - nicht um ihr entstandene Vertretungskosten i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSEG, sondern um Verdienstausfall i.S.v. § 2 Abs. 1 ZSEG, für den die Entschädigung eines Zeugen nach § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG auf den Höchstsatz von 13 Euro für jede versäumte Arbeitsstunde begrenzt ist.
1. Nach der Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 1 ZSEG werden dem Zeugen in den §§ 8-10 ZSEG nicht besonders genannte "bare Auslagen" ersetzt, soweit sie notwendig sind. Zu diesen sonstigen zu ersetzenden Auslagen gehören insb. die Kosten einer notwendigen Vertretung (§ 11 Abs. 1 S. 2 ZSEG). § 11 Abs. 1 ZSEG hat damit eine Auffangfunktion und gewährt dem Zeugen einen Anspruch auf Ersatz solcher Auslagen, die er zwangsläufig aufwenden musste, um seiner Zeugenpflicht vor Gericht nachzukommen. Gemeinsame Voraussetzung für den Ersatz solcher Kosten ist daher, dass sie dem Zeugen tatsächlich entstanden und nachgewiesen sind und schließlich auch notwendig waren (vgl. zu Vorstehendem OLG Celle v. 29.3.1990 - 3 Ws 22/90, RPfleger 1990, 273; BSGE 80, 171 [174]; Thüringer LSG JurBüro 2003, 96; Bleutge, ZSEG, 3. Aufl., § 11 Rz. 1).
Vorstehendes gilt auch für den Ersatz von Vertretungskosten. Ein Zeuge, der zur Vermeidung von Nachteilen für die Dauer seiner Abwesenheit von seinem Geschäft, seinem Arbeitsplatz oder seiner Praxis gezwungen ist, einen Vertreter zu beschäftigen, kann die von ihm für den Vertreter aufgewendeten Kosten gem. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSEG ersetzt verlangen. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Zeugen tatsächlich Aufwendungen entstanden sind, wobei diese regelmäßig in der dem Vertreter zu zahlenden Vergütung bestehen (vgl. dazu die jeweiligen Sachverhalte in OLG Karlsruhe v. 11.5.1992 - 11 W 182/91, MDR 1993, 89; OLG Düsseldorf v. 13.1.1993 - VI 4/92, MDR 1993, 485; OLG Frankfurt v. 24.11.1999 - 25 U 87/98, OLGReport Frankfurt 2000, 20; LSG Niedersachsen SozVers 2000, 305; ferner Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 11 Rz. 2.5).
2. Wie sich aus den vorangehenden Ausführungen ergibt, handelt es sich bei den vorliegend geltend gemachten Kosten schon deshalb nicht um gem. § 11 Abs. 1 S. 2 ZSEG zu erstattende Vertretungskosten, weil die Beteiligte zu 1) selbst an Herrn Dr. B. für die Ausführung der am Tage ihrer Zeugenladung vor dem LG Berlin bei dem Chirurgen Dr. J. vorgesehenen Operationen keine Vergütung zu zahlen hatte und ihr daher selbst auch keine Auslagen erwachsen sind. Ihr sind lediglich entsprechende Einnahmen (bzw. Umsätze) dadurch entgangen, dass Herr Dr. B. an ihrer Stelle an den Operationen mitwirkte und die dabei erforderlichen Leistungen auf eigene Rechnung erbrachte. Der Umstand, dass die bei einer Anästhesie zu erbringenden Leistungen festgelegt und nach festen Sätzen abzurechnen sind, ändert nichts daran, dass sie selbst keine Auslagen für ihre Vertretung zu tragen hatte.
Der von der Beteiligten zu 1) auf 1.324,78 Euro bezifferte Umsatzausfall kann gem. § 401 ZPO und § 1 Abs. 1 ZSEG nur nach Maßgabe des ZSEG entschädigt werden. Nach § 2 Abs. 1 ZSEG ist ein Zeuge zwar für seinen Verdienstausfall zu entschädigen, jedoch ist die Entschädigung nach § 2 Abs. 2 S. 1 ZSEG für jede versäumte Arbeitsstunde auf den Höchstsatz von 13 Euro begrenzt; eine höhere Entschädigung kann auch dann nicht gewährt werden, wenn der Zeuge nachweist, dass ihm tatsächlich ein höherer Verdienstausfall entstanden ist. Denn der Gesetzgeber hat diese Begrenzung der Entschädigung für Verdienstausfall bewusst vorgenommen, weil der Zeuge einer staatsbürgerlichen Pflicht nachkommt, die ihm im Interesse der Rechtspflege und damit der Allgemeinheit auch ohne volle Entschädigung auferlegt wird (vgl. zu Vorstehendem OLG Nürnberg JVBl. 1972, 114; OLG Bremen JurBüro 1994, 182; ...