Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsreisekosten der auswärtigen Rechts- und Patentanwälte
Leitsatz (amtlich)
Lässt sich ein Unternehmen regelmäßig in allen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes von den Rechtsanwälten und Patentanwälten einer an einem dritten Ort ansässigen Kanzlei vertreten, so sind in einer Patentstreitsache deren Reisekosten zum auswärtigen Gerichtstermin grundsätzlich erstattungsfähig, auch wenn das Unternehmen über eine eigene Rechts- und Patentabteilung verfügt. Auf die Notwendigkeit eines persönlichen Mandantengesprächs bei Erteilung des Prozessauftrags kommt es wegen des bereits bestehenden Vertrauensverhältnisses nicht an (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 28.6.2006 - IV ZB 44/05, MDR 2007, 431 = BGHReport 2006, 1334, NJW 2006, 3008).
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1; PatG § 143 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 31.05.2006; Aktenzeichen 16 O 389/05) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden als nach dem Versäumnisschlussurteil des LG Berlin vom 29.11.2005 von den Antragsgegnern an die Antragstellerin zu erstattende Kosten über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere 2.053,69 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7.12.2005 festgesetzt.
Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I. Die Rechtpflegerin hat im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss die geltend gemachten Terminsreisekosten des Prozessbevollmächtigten und des Patentanwalts der Antragstellerin zu den Terminen am 16.8.2005 und 29.11.2005 abgesetzt. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie verlangt - nach Rücknahme ihres Antrags wegen der in den Reisekosten enthaltenen Umsatzsteuerbeträge - die Festsetzung der weiteren in ihrem Antrag vom 7.12.2005 bezifferten Beträge.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in dem nach der Rücknahme verbleibenden Umfang vollen Erfolg. Die Antragstellerin kann nach §§ 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1, VV Nr. 7003 - 7005 RVG sowie § 143 Abs. 3 PatG in Verbindung mit VV Nr. 7003 - 7005 RVG Erstattung der Reisekosten einschließlich Tage- und Abwesenheitsgeld ihres Prozessbevollmächtigten ... sowie des mitwirkenden Patentanwalts ... für die Termine am 16.8.2005 und am 29.11.2005 in der zutreffend errechneten und belegten Höhe verlangen.
1. Die Rechtspflegerin hat ausgeführt:
Die Antragstellerin verfüge nach eigenen Angaben über eine eigene, mit der Angelegenheit auch befasste Rechtsabteilung. Es sei ihr daher zuzumuten gewesen, dass die Rechtsabteilung den Sachverhalt aufbereitet und einen am Prozessgericht ansässigen Rechtsanwalt und Patentanwalt fernmündlich beauftragt und informiert hätte. Die durch die Beauftragung der Rechtsanwälte und mitwirkenden Patentanwälte der Kanzlei in München entstandenen Reisekosten und Tage- und Abwesenheitsgelder zur Wahrnehmung der Termine in Berlin seien daher nicht erstattungsfähig.
2. Die Antragstellerin trägt vor: Sie verfüge über eine eigene Rechtsabteilung und habe ihre Prozessbevollmächtigten fernmündlich sowie schriftlich beauftragt. Auch die Informationserteilung sei auf diesen Wegen sowie persönlich anlässlich der Vor- und Nachbesprechung der mündlichen Verhandlung in Berlin erfolgt (die Reisekosten ihrer Mitarbeiter aus Produktmanagement und Patentabteilung zu beiden Terminen hat die Antragstellerin ebenfalls geltend gemacht). Sie habe die Kanzlei der Rechts- und Patentanwälte in München beauftragt, weil diese sie regelmäßig in allen Fragen des gewerblichen Rechtsschutzes vertrete. Es sei ihr nicht zuzumuten, für jeden Gerichtsort eigene Rechtsanwälte und Patentanwälte vorzuhalten, sowie eine weitere Kanzlei zur Koordinierung der Verfahren.
3. Die Antragstellerin hat die Notwendigkeit der geltend gemachten Terminsreisekosten hinreichend glaubhaft gemacht (§ 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
a) Auf die Notwendigkeit eines persönlichen Informationsgesprächs ihrer Mitarbeiter mit den beauftragten Rechts- und Patentanwälten kommt es dabei nicht an. Dieses hat erst anlässlich der mündlichen Verhandlung stattgefunden. Die Frage, ob die Antragstellerin aus Gründen der Kostengeringhaltung für den Fall der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Prozessgericht Berlin eine dort ansässige Kanzlei von Rechts- und Patentanwälten beauftragen sollte, stellte sich bereits vor Einleitung des Verfahrens. Die dazu erforderliche Information ist den Münchner Anwälten auf fernmündlichem und schriftlichem Wege erteilt worden.
b) Die Notwendigkeit der Beauftragung der Münchner Kanzlei zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ergab sich jedoch aus der betriebsorganisatorischen Entscheidung der Antragstellerin, diese Kanzlei regelmäßig und bundesweit mit ihrer Vertretung in den Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes zu betrauen. Das sonst zur Herstellung des Vertrauensverhältnisses notwendige persönliche Mandantengespräch ist dann im Einzelfall nicht mehr erforderlich, da es der ständigen Geschäftsbeziehung zugrunde liegt; die Inf...