Leitsatz (amtlich)
1. Gemäß § 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunden stellen eine anderweitige Regelung i.S.v. § 620.f Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. (= § 56 Abs. 1 Satz 1 FamFG) dar.
2. Die Herausgabe des Titels kann im Verfahren nach § 620.f Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. (= § 56 Abs. 3 FamFG) nicht angeordnet werden.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 18.12.2010; Aktenzeichen 128 F 345/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger zu 1 und 3 wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 18.12.2010 teilweise abgeändert:
Der Antrag auf Herausgabe des Titels vom 14.2.2003 - 128 F 345/04 - wird zurückgewiesen.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Kläger zu 1 und 3 gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 18.12.2010 zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
Auf das Rechtsmittel sind gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG die vor dem 1.9.2009 geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden (vgl. z.B. BGH MDR 2011, 45). Das somit gem. §§ 644, 620.f Abs. 1 S. 3 ZPO a.F. statthafte und rechtzeitig eingelegte Rechtsmittel hat in der Sache nur teilweise Erfolg.
Mit Recht hat das AG gem. §§ 644, 620.f Abs. 1 ZPO a.F. festgestellt, dass die einstweilige Anordnung vom 14.2.2003 hinsichtlich der Beschwerdeführer durch die angeführten Jugendamtsurkunden außer Kraft getreten ist. Gemäß § 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunden stellen eine anderweitige Regelung i.S.v. § 620.f Abs. 1 ZPO a.F. dar (vgl. z. B MünchKomm/Finger, 3. Aufl., § 620.f ZPO Rz. 27; Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl. Rz. 386). Die in den vorliegend errichteten Urkunden titulierten Beträge liegen über den in der einstweiligen Anordnung zuerkannten.
Der nach §§ 644, 620.f Abs. 1 S. 2 ZPO a.F. erforderliche Antrag ist seitens des Beklagten auch hinsichtlich der Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 25.1.2008 gestellt worden. Daraus ergibt sich bei sachgerechter Auslegung des ohne anwaltliche Vertretung abgefassten Schreibens auch das Begehren, diese Feststellung auf den Zeitpunkt der Errichtung der Jugendamtsurkunden zu beziehen, da der Beklagte sich auf diese zur Begründung des Antrags gerade bezog. Sein Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich aus dem in §§ 644, 620.f Abs. 1 S. 2 ZPO a.F. anerkannten Interesse an einer (deklaratorischen) Feststellung des Außerkrafttretens. Durch diese wird dem Schuldner der Nachweis des Außerkrafttretens gegenüber Vollstreckungsorganen möglich.
Die sofortige Beschwerde hat aber Erfolg, soweit das AG die Herausgabe des Titels angeordnet hat. Dabei kann offen bleiben, ob die Beschwerdeführer zu einer Herausgabe in der Lage wären. Denn eine solche Anordnung kann im Verfahren nach § 620.f ZPO a.F. nicht getroffen werden. Mit dem gem. § 620.f Abs. 1 S. 2 ZPO a.F. zu treffenden Ausspruch soll der Nachweis des Außerkrafttretens der einstweiligen Anordnung, das bereits kraft Gesetzes unter den in Satz 1 bestimmten Voraussetzungen eintritt, ermöglicht werden, um z.B. eine Vollstreckung verhindern zu können (vgl. § 775 Nr. 1 ZPO). Ein Anspruch auf Herausgabe des Titels ist hingegen ein anderer Verfahrensgegenstand mit weitergehenden Voraussetzungen (zu diesen z.B. BGH NJW-RR 2008, 1512 = MDR 2008, 1236), der in einem gesonderten Hauptsacheverfahren geltend zu machen ist (vgl. z.B. Gießler/Soyka, Vorläufiger Rechtsschutz in Familiensachen, 5. Aufl. Rz. 280).
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2707844 |
FamRZ 2011, 1612 |
FuR 2011, 572 |