Leitsatz (amtlich)

1. Zur Problematik der Rechtsmissbräuchlichkeit einer fristlosen Kündigung eines Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges.

2. Zum Schriftformmangel eines Mietvertrages durch formlose Änderung der vertraglichen Regelungen zu Umbaumaßnahmen des Mieters.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 09.11.2022; Aktenzeichen 21 O 177/22)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 09.11.2022, Aktenzeichen 21 O 177/22, wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 600.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen der Kosten in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 417.325,32 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Landgericht hat die beklagte Mieterin aufgrund einer fristlosen Kündigung der klagenden Vermieterin wegen Zahlungsverzuges zur Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen verurteilt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und der Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen ihre Verurteilung und macht unter Bezugnahme auf Rechtsprechung und Schrifttum vor allem geltend:

Die Kündigung wegen Zahlungsverzuges sei schon deshalb rechtsmissbräuchlich, weil die Beklagte die Miete während der achtjährigen Mietzeit beanstandungsfrei gezahlt habe. Der Klägerin habe sich aufdrängen müssen, dass kein Fall von Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit, sondern ein Versehen vorgelegen habe, zumal die Beklagte den vorhergehenden Kündigungen und der Räumungsklage entgegengetreten sei und mit der Klagerwiderung auf ihre hohen Investitionen in das Mietobjekt hingewiesen habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 09.11.2022 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin, Aktenzeichen 21 O 177/22, abzuweisen.

II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 09.11.2022, Aktenzeichen 21 O 177/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 06.02.2023 Bezug genommen, in dem der Senat ausgeführt hat:

"[1] Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der gemieteten und der mitgenutzten Flächen an die Klägerin verurteilt. Das Mietverhältnis ist durch die Kündigung der Klägerin vom 30.06.2022 beendet worden. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird in vollem Umfang Bezug genommen. Folgendes wird hervorgehoben und ergänzt:

[2] Die Klägerin war aufgrund Zahlungsverzuges der Beklagten mit den Mieten für die Monate Mai und Juni 2022 gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a und b BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt. Gemäß § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB bedurfte es keiner vorherigen Abmahnung und es ist unerheblich, dass der Rückstand danach ausgeglichen wurde, denn § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB gilt nur für Wohnraum (s.a. § 578 Abs. 2 Satz 1 BGB).

[3] Eine Abmahnung ist ausnahmsweise nach Treu und Glauben geboten, wenn sich dem Vermieter die Erkenntnis aufdrängen muss, dass der Zahlungsrückstand nicht auf Zahlungsunfähigkeit oder -unwilligkeit des Mieters beruht, sondern auf einem geringfügigen Versehen oder sonstigen von ihm nicht zu vertretenden Umständen (vgl. OLG Hamm ZMR 1998, 493, zitiert nach juris Rn. 30; OLG Düsseldorf ZMR 2004, 570 juris Rn. 18; OLG Stuttgart ZMR 2015, 22 juris Rn. 21; OLG Hamm, Beschluss vom 24.08.2016 - I-30 U 61/16 - juris Rn. 70; Alberts in: Guhling/Günter, Gewerberaummiete, 2. Auflage, § 543 BGB Rn. 71; Lützenkirchen, Mietrecht, 3. Auflage, § 543 BGB Rn. 282; Fleindl in: Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Auflage, Kap. IV Rn. 373) bzw. auf einer bestehenden Unsicherheit bezüglich des Empfängers der Miete oder des Zahlungsweges (vgl. OLG Dresden ZMR 2020, 497 juris Rn. 42).

Dies hat das Landgericht zu Recht verneint.

[4] Der Zahlungsverzug stand hier - anders als im Fall des OLG Düsseldorf ZMR 2002, 818 und in dem vom OLG Hamm am 24.08.2016 entschiedenen Fall - nicht im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Wechsel einer Vertragspartei. Vielmehr trägt...

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