Entscheidungsstichwort (Thema)
Religiös bedingtes Eheverbot in Bangladesh
Leitsatz (amtlich)
1. Die Kollisionsnorm des Art. 13 Abs. 2 EGBGB ist nicht nur bei der Prüfung heranzuziehen, welches Recht auf eine bevorstehende Eheschließung mit Auslandsbezug in Deutschland anwendbar ist, sondern auch bei der Prüfung, ob eine im Ausland bereits geschlossene Ehe nach deutschem Internationalen Privatrecht als wirksam anzusehen ist.
2. Das Eheverbot zwischen einer muslimischen Frau und einem Nichtmuslim im Recht der Volksrepublik Bangladesh verstößt gegen den deutschen ordre public.
Normenkette
EGBGB Art. 13; PStG § 47
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 17.06.2003; Aktenzeichen 84 T 74/03) |
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 70-III 383/01) |
Tenor
1. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) wird nach einem Wert von 3.000 EUR zurückgewiesen.
2. Der Beteiligten zu 2) wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren vor dem Senat ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwältin C.B., S.-Damm, B., ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt.
Gründe
A. Die Beteiligte zu 3) begehrt als Aufsichtsbehörde des Standesamtes P. von B. die Löschung des bei diesem Standesamt geführten Familienbuches für die Beteiligten zu 1) und 2) unter Berufung darauf, diese hätten in B. nicht wirksam miteinander die Ehe geschlossen.
I. Das AG Schöneberg hat den Löschungsantrag der Beteiligten zu 3) vom 9.7.2001 mit Beschl. v. 21.2.2003 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde vom 10.3.2003 hat das LG Berlin mit Beschl. v. 17.6.2003 zurückgewiesen, der der Beteiligten zu 3) am 4.7.2003 zugegangen ist. Auf beide Beschlüsse wird Bezug genommen.
II. Die Beteiligte zu 3) verfolgt ihr Löschungsbegehren mit der am 16.7.2003 bei Gericht eingegangenen sofortigen weiteren Beschwerde weiter.
Zur Begründung trägt sie vor: Zutreffend habe das LG ausgeführt, dass die Eheschließung nach christlichem Ritus in B. jedenfalls nach dem dortigen Heimatrecht der Beteiligten zu 2) unwirksam sei, weil keiner der Verlobten zur Zeit der Eheschließung christlichen Glaubens gewesen sei. Damit handele es sich um eine Nichtehe mit der Folge, dass das Familienbuch zu löschen sei. Dies ergebe sich auch nach dem Grundsatz des "ärgeren Rechts". Der vom LG als "Rettungsklausel" herangezogene Art. 13 Abs. 2 EGBGB sei nicht anwendbar, sondern betreffe nach Wortlaut und Gesetzesbegründung nur beabsichtigte Eheschließungen im Inland.
Die Beteiligten zu 1) und 2) verteidigen übereinstimmend den angefochtenen Beschluss.
B. Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) ist zulässig, aber unbegründet.
I. Die Beschwerde ist statthaft (§§ 48 Abs. 1 PStG, 27 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 2 FGG) und fristgerecht binnen zwei Wochen nach Zugang des angefochtenen Beschlusses eingelegt (§ 22 Abs. 1 FGG).
II. In der Sache ist sie erfolglos, denn das LG hat rechtsfehlerfrei die auf Löschung des Familienbuches gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Die zur Begründung der weiteren sofortigen Beschwerde vorgetragenen Argumente führen nicht zu einer anderen Beurteilung durch den Senat.
1. Ein Standesbeamter hat bei Anlegung eines Familienbuches zu prüfen, ob die darin dokumentierte Eheschließung als materiell-rechtlich wirksam anzusehen ist. Bei Ehen mit Auslandsbezug bestimmt sich dies nach Maßgabe des deutschen Internationalen Privatrechts: Zu prüfen ist, ob die zivilrechtlichen Wirkungen einer im Ausland vollzogenen Eheschließung für das Inland übernommen werden (BGH v. 4.10.1990 - XII ZB 200/87, MDR 1991, 438 = NJW 1991, 3088; BayObLG StAZ 1996, 300, m.w.N.; Hepting/Gaaz, Personenstandsrecht, 38. Lieferung 2003, § 15a PStG Rz. 36 f.; Coester in MünchKomm/BGB, 3. Aufl. 1998, Art. 13 EGBGB Rz. 7).
Zeigt sich nachträglich ein Umstand der Eheschließung, der ihre materiell-rechtliche Unwirksamkeit und damit die Unrichtigkeit einer bereits abgeschlossenen Eintragung im Familienbuch von Anbeginn an begründet, kommt eine Berichtigung nur auf Anordnung des Gerichts im Verfahren nach § 47 PStG in Betracht; als solche Berichtigung ist auch eine Löschung des Familienbuches insgesamt anzusehen (KG StAZ 1992, 342). Das Gericht kann eine Berichtigung nur anordnen, wenn die Unrichtigkeit des Eintrages zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ohne jeden Zweifel feststeht (Johansson/Sachse, Anweisungs- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen, 1996, Rz. 580, m.w.N.).
2. Hiernach hat das LG rechtsfehlerfrei wie zuvor das AG Schöneberg die Berichtigung des inzwischen beim Standesamt Pankow von Berlin geführten Familienbuches betreffend die Beteiligten zu 1) und 2) durch Löschung abgelehnt, denn seine Unrichtigkeit steht nicht positiv fest.
a) Zu Recht hat das LG Art. 13 EGBGB als Maßstab für die Prüfung der Wirksamkeit der im Familienbuch bereits eingetragenen Ehe herangezogen.
(1) Art. 13 EGBGB regelt als selbständige Kollisionsnorm des Internationalen Privatrechts, die unmittelbar auf die anwendbare Rechtsordnung verweist, welchem sachlichen Recht und welchen Formvorschriften die Ehes...