Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 13.05.2009) |
Tenor
1. Auf die Anhörungsrüge des Betroffenen wird das Beschwerdeverfahren in den Stand versetzt, in dem es sich vor dem Beschluß des Senats vom 9. September 2010 befand. Der vorbezeichnete Beschluß wird aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 13. Mai 2009 aufgehoben.
3. a) Auf den Antrag des Betroffenen werden die Anordnungen der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin - Abteilung IX - vom 3. Dezember 1977 und des Rates des Stadtbezirks Berlin-Prenzlauer Berg - Referat Jugendhilfe - vom 12. Dezember 1977, durch die er zunächst vorläufig (Bezirksverwaltung für Staatssicherheit) und sodann unter Anordnung der Pflegschaft (Referat Jugendhilfe) dauerhaft in die Kinderheime Alt-Stralau (Durchgangsheim) in Berlin und "Hans Beimler" in Bralitz eingewiesen worden ist, für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.
b) Der Betroffene wird rehabilitiert. Er hat vom 2. Dezember 1977 bis zum 22. Dezember 1978 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten.
4. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen für die Einweisungen, sofern ihm daraus derartige Auslagen entstanden sind.
5. Kosten für das Rehabilitierungsverfahren werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen in beiden Rechtszügen einschließlich derjenigen für die Anhörungsrüge fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
I. 1. Mit dem angefochtenen Beschluß vom 13. Mai 2009 hat das Landgericht Berlin den Antrag des Betroffenen zurückgewiesen, seine Einweisung in das Berliner Durchgangsheim Alt-Stralau sowie seine anschließende Unterbringung in dem Kinderheim "Hans Beimler" in Bralitz für rechtsstaatswidrig zu erklären und ihn zu rehabilitieren. Ferner hat es - vom Betroffenen nicht beantragt - dessen aus dem Aktenmaterial hervorgehende zwischenzeitliche Unterbringung in dem Berliner Kinderheim "Makarenko" festgestellt und auch insoweit die Rehabilitierung versagt. Die zulässige Beschwerde (§ 13 Abs. 1 StrRehaG) des Betroffenen hat der Senat mit Beschluß vom 9. September 2010 verworfen. Dessen gegen diesen Beschluß gerichtete Anhörungsrüge und in der Folge seine Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung haben Erfolg.
2. Den Gegenstand des Rechtsstreits bilden die Unterbringungen des Betroffenen in Kinderheimen, nachdem seine Eltern aufgrund einer politischen Protestaktion verhaftet worden waren.
a) Der Betroffene war aufgrund folgenden Geschehens in den Kinderheimen untergebracht:
Am 2. Dezember 1977 entrollten seine Eltern im Beisein des Betroffenen und seiner Schwester in unmittelbarer Nähe des Gebäudes des Rates des Stadtbezirks (Berolina-Haus am Alexanderplatz) in Berlin ein weißes Tuch mit folgender Aufschrift:
"Wir sind nur 4 und wollen rüber, drum laßt uns raus, wir komm'n nie wieder"
Dabei war es den Eltern gelungen, die Aktion so zu planen, daß westliche Medien darüber berichten konnten. Bereits zuvor hatten die Eltern des Betroffenen mehrere erfolglose Ausreiseanträge gestellt. Noch am gleichen Tag wurden sie verhaftet; der damals 13-jährige Betroffene und seine 12-jährige Schwester wurden zunächst aufgrund der Anordnung der Bezirksverwaltung für Staatssicherheit Berlin - Abteilung IX - vom 3. Dezember 1977 in das Durchgangsheim "Alt-Stralau" in Berlin verbracht. Der Rat des Stadtbezirks Berlin-Prenzlauer Berg - Referat Jugendhilfe - ordnete sodann am 12. Dezember 1977 (Vfg.-Reg.-Nr: 515/1977) wegen der Verhaftung der Eltern "zur Sicherung der weiteren Erziehung und Entwicklung der Kinder" gemäß § 104 des Familiengesetzbuches die Pflegschaft an, da die Eltern an der Ausübung des Erziehungsrechts verhindert seien. Ausweislich der von diesem Amt und den weiteren an der Aktion beteiligten Organen der ehemaligen DDR geschaffenen Aktenlage lebten alle Angehörigen der Kinder - außer deren verhafteten Eltern - in der Bundesrepublik oder Berlin (West).
b) Der Betroffene befand sich deshalb nach seinen eigenen Angaben zunächst seit dem 2. Dezember 1977 für etwa vier Monate im Durchgangsheim Alt-Stralau und sodann im Kinderheim "Hans Beimler" in Bralitz (Kreis Freienwalde). Ausweislich der vorliegenden Unterlagen befand er sich in der Zeit vom 2. Dezember 1977 bis zum 7. April 1978 im Durchgangsheim Alt-Stralau, vom 7. April 1978 bis 23. Mai 1978 im Kinderheim "Makarenko" in Berlin und anschließend im Kinderheim "Hans Beimler" in Bralitz (Kreis Freienwalde). Am 13. November 1978 (ausgehändigt am 22. Dezember 1978) wurde der Betroffene aus der Staatsbürgerschaft der ehemaligen DDR entlassen. Er wurde am 30. November 1978 bei der für Bralitz zuständigen Meldebehörde abgemeldet, konnte aber erst am 22. Dezember 1978 in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen. Seine Eltern hatten bereits am 16. August 1978 die DDR verlassen und in die Bundesrepublik übersiedeln dürfen.
3. Der Senat hat die Rehabilitierung des Betroffenen mit seinem Beschluß vom 9. September 2010 abgelehnt. Auch unter Berücksichtigung des Beschlusses...