Leitsatz (amtlich)
1. In Übergangsfällen, in denen im Jahr 2021 zu einem Zeitpunkt vor Bekanntgabe der Düsseldorfer Tabelle 2022 und ohne konkrete Darlegung des Unterhaltsbedarfs, allein auf Basis der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. September 2020 (XII ZB 499/19, BGHZ 227, 41), eine familiengerichtliche Entscheidung über Kindesunterhalt in einer Höhe von mehr als 200% des Mindestunterhalts erwirkt wird, ist auf Beschwerde die Unterhaltshöhe auf 200% des Mindestunterhalts zu begrenzen; nämlich auf den höchsten, in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Prozentsatz des Mindestunterhalts. Anderes gilt, wenn ein höherer Unterhaltsbedarf konkret dargetan wird.
2. In (Übergangs-) Fällen, in denen mit der Beschwerde allein die Überschreitung eines Unterhaltssatzes von mehr als 200% des Mindestunterhalts gerügt wird und der entsprechende, erhöhte Unterhaltsbedarf auch nicht konkret dargelegt worden ist, entspricht es regelmäßig der von § 243 Satz 1 FamFG für maßgeblich erklärten Billigkeit, von der Erhebung von gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens abzusehen und hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens auszusprechen, dass diese von demjenigen Beteiligten getragen werden, bei dem sie angefallen sind.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 89 F 87/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 15. November 2021 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 89 F 87/20 - in den Ziff. 1 und Ziff. 4 des Tenors geändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Antragsgegner zahlt an die Antragstellerin zu 1. unter Abänderung der Urkunde vom ... 2018 (... - Beurk.-Reg. Nr. .../2018) der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in ... ab April 2020 monatlichen Elementarunterhalt in Höhe von 200% des Mindestunterhalts nach der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind.
4. Der Antragsgegner zahlt an den Antragsteller zu 2. unter Abänderung der Urkunde vom ... 2018 (... - Beurk.-Reg. Nr. .../2018) der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in ... ab April 2020 monatlichen Elementarunterhalt in Höhe von 200% des Mindestunterhalts nach der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein zweites Kind.
Aufgrund einer offensichtlichen Unrichtigkeit wird der am 15. November 2021 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 89 F 87/20 - in den Ziff. 3b und Ziff. 6b wie folgt berichtigt:
3. Anstatt
b. 88% der Kosten des privaten Schulbesuchs von derzeit 360 EUR monatlich sowie weitere 40 EUR für Verpflegung
heißt es richtig:
b. 88% der Kosten des privaten Schulbesuchs, derzeit monatlich 360 EUR Schulgeld sowie 40 EUR Schulverpflegung;
6. Anstatt
b. 88% der Kosten des privaten Schulbesuchs des Antragstellers von derzeit 270 EUR monatlich sowie weitere 32 EUR für Verpflegung
heißt es richtig:
b. 88% der Kosten des privaten Schulbesuchs, derzeit monatlich 270 EUR Schulgeld sowie 32 EUR Schulverpflegung.
Gerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt jeder Beteiligte selbst.
Der Beschwerdewert wird auf 768 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten, zwei minderjährige Kinder und ihr Vater, streiten über die Abänderung von zwei in einer deutschen Auslandsvertretung erstellten Urkunden, in denen sich der Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet hat.
Das Familiengericht hat dem im Juni 2020 angebrachten Antrag der beiden Antragsteller, den Unterhaltsbetrag, zu dessen Leistung der Antragsgegner sich urkundlich verpflichtet hat, sowie bestimmte Unterhaltsmehrbedarfe entsprechend dem hohen, deutlich oberhalb des bisherigen Höchstbetrages der Düsseldorfer Tabelle von (bislang) 5.500 EUR netto/Monat liegenden Einkommens des Antragsgegners anzupassen, im Wesentlichen stattgegeben und die beiden Urkunden abgeändert. Ausgehend von der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach eine begrenzte Fortschreibung der Bedarfsbeträge der Düsseldorfer Tabelle bis zur Höhe des Doppelten des höchsten, darin ausgewiesenen Einkommensbetrages (seinerzeit bzw. bis Dezember 2021 5.500 EUR) in Betracht komme, ohne dass eine konkrete Darlegung eines entsprechenden kindlichen Unterhaltsbedarfs erforderlich sei (Beschluss vom 16. September 2020 - XII ZB 499/19, BGHZ 227, 41 = FamRZ 2021, 28), hat das Familiengericht entsprechend dem Nettoeinkommen des Antragsgegners und in Anlehnung an einen in der Literatur veröffentlichten Vorschlag, wie das "Premiumsegment" einer künftigen, der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprechenden Düsseldorfer Tabelle ausgestaltet werden könnte (vgl. Rubenbauer/Dose, Unterhaltsbedarf bei höherem Einkommen, NZFam 2021, 661) diesen zur Zahlung von Elementarunterhalt für die Antragsteller in Höhe von jeweils 206% des Mindestunterhalts nach der jeweiligen Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle abzüglich des jeweils hälftigen Kindergeldes für ein erstes bzw. zweites ...