Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßregeln der Besserung und Sicherung: Vermeidung von Organisationshaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit der Rechtskraft ist das Erkenntnisverfahren abgeschlossen und das Prozessgericht zur Entscheidung über die Fortdauer der Haft nicht mehr befugt.
2. a) Mit dem gesetzlich nicht vorgesehenen Begriff "Organisationshaft" wird das Problem umschrieben, daß der sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befindende Gefangene, gegen den ausschließlich oder neben einer anschließend zu vollziehenden Freiheitsstrafe auf eine Maßregel erkannt worden ist, dadurch - selbst bei bester Organisation und freien Kapazitäten zwangsläufig - entgegen dem richterlichen Erkenntnis zunächst mindestens einige Tage oder Wochen Strafhaft verbüßt.
b) Die Wirkung, daß zunächst eine gesetzlich nicht zu diesem Zeitpunkt vorgesehene Rechtsfolge vollstreckt wird, läßt sich indes von vornherein vermeiden, indem der Tatrichter, der auf eine Maßregel nach § 63 StGB oder § 64 StGB erkennt, nicht den Haftbefehl nach § 112 StPO aufrechterhält, sondern ihn in einen Unterbringungsbefehl nach § 126a StPO umwandelt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen. In der Regel ist die Umwandlung auch geboten.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 09.03.2001; Aktenzeichen (508) 18 VRs 69 Js 4/98 KLs (16/00)) |
Gründe
Das Landgericht Berlin hat den Beschwerdeführer am 25. Oktober 2000 wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und zugleich seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Das Gericht hat nicht nach § 67 Abs. 2 StGB bestimmt, daß die Strafe oder ein Teil davon vor der Maßregel zu vollziehen ist. Der Beschwerdeführer ist am 11. Mai 1999 festgenommen worden; seit dem 12. Mai 1999 ist gegen ihn Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Moabit vollstreckt worden. Auch nachdem das Urteil am 2. November 2000 rechtskräftig geworden war, ist er zunächst nicht in eine Entziehungsanstalt verlegt worden. Mit Verfügung vom 10. Januar 2001 hat die Staatsanwaltschaft ein Aufnahmeersuchen an das Krankenhaus des Maßregelvollzuges gerichtet. Mit zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Tiergarten eingelegten Beschwerden vom 4. Dezember 2000 und 19. Februar 2001 sowie mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. Januar 2001 hat der Beschwerdeführer seine Verlegung in eine Entziehungsanstalt oder seine Entlassung aus der Haft begehrt. Die Strafkammer hat den Antrag des Verurteilten, ihn unverzüglich aus der Haft zu entlassen, mit Beschluß vom 9. März 2001 zurückgewiesen. Dagegen hat er form- und fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Am 19. April 2001 ist er in das Krankenhaus des Maßregelvollzuges verlegt worden. 1. Durch die Verlegung des Verurteilten ist sein Rechtsmittel gegenstandlos geworden (vgl. KG, Beschluß vom 14. Mai 2001 - 5 Ws 36/01 -). Einen Antrag auf Feststellung, daß der Vollzug der Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt Moabit nach Rechtskraft des Urteils rechtswidrig war, hat der Beschwerdeführer auch auf Nachfrage des Senats nicht gestellt. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten ist ohne Kostenentscheidung als gegenstandlos zu bezeichnen, denn sie war zur Zeit ihrer Einlegung zulässig (§§ 462 Abs. 3, 463 Abs. 1 StPO). 2. Der Senat hält folgende Hinweise für geboten: a) Nicht die Strafkammer war für die angefochtene Entscheidung zuständig, sondern gemäß §§ 462a Abs. 1 Satz 1, 463 Abs. 1 StPO die Strafvollstreckungskammer. Mit der Rechtskraft ist das Erkenntnisverfahren abgeschlossen und das Prozeßgericht zur Entscheidung über die Fortdauer der Haft nicht mehr befugt (vgl. OLG Düsseldorf StV 1988, 110, 111 und NStZ 1981, 366; KG, Beschlüsse vom 14. Mai 2001 - 5 Ws 36/01 - und vom 28. Januar 1993 - 4 Ws 5/93 -). b) Die bei Eintritt der Rechtskraft vollzogene Untersuchungshaft geht unmittelbar in Strafhaft oder in den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregel über (vgl. BGHSt 38, 63, 64; KG, Beschluß vom 14. Mai 2001 - 5 Ws 36/01 - mit weit. Nachweisen), ohne daß es des besonderen Akts der Einleitung der Vollstreckung bedarf. Mit dem gesetzlich nicht vorgesehenen Begriff "Organisationshaft" wird das Problem umschrieben, daß der sich zu diesem Zeitpunkt in Untersuchungshaft befindende Gefangene, gegen den ausschließlich oder neben einer anschließend zu vollziehenden Freiheitsstrafe auf eine Maßregel erkannt worden ist, dadurch - selbst bei bester Organisation und freien Kapazitäten zwangsläufig - entgegen dem richterlichen Erkenntnis zunächst mindestens einige Tage oder Wochen Strafhaft verbüßt. Rechtsprechung und Schrifttum hat dieser Umstand erst deswegen beschäftigt, weil sich dieser Zeitraum aufgrund von Kapazitätsengpässen mitunter zu Monaten dehnte. Die Wirkung, daß zunächst eine gesetzlich nicht zu diesem Zeitpunkt vorgesehene Rechtsfolge vollstreckt wird, läßt sich indes von vornherein vermeiden, indem der Tatrichter, der auf eine Maßregel nach § 63 StGB od...