Leitsatz (amtlich)
1. Die Einwilligung des Verfügungsberechtigten in die Beschädigung eines Pkw (gestellter Unfall) schließt die Rechtswidrigkeit der Eigentumsverletzung aus.
2. Der Eigentümer muss sich das Handeln desjenigen, dem er die Entscheidungsgewalt weitgehend und den (berechtigten) unmittelbaren Besitz zur alleinigen und freien Verfügung überlässt, gemäß § 166 Abs. 1 BGB analog zurechnen lassen.
3. Es liegt nahe, dass wegen des Erlaubens einer fiktiven Abrechnung, das dieses betrügerische Gewinnmodell erst ermöglicht, dem in gewillkürter Prozessstandschaft verfolgten Anspruch des Eigentümers zudem Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenstehen.
4. Da naturgemäß das Bestreben der Täter eines manipulierten bzw. gestellten Unfalls dahin geht, Auffälligkeiten in der konkreten Ausführung des vermeintlichen Unfalls zu vermeiden, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der nach § 286 ZPO für die volle Überzeugung erforderliche Nachweis für ein unredliches Verhalten der Beteiligten sich aus einer Gesamtschau aller der Entscheidung zu Grunde zu legenden Umstände dann ergeben kann, wenn eine besondere Häufung und/oder Qualität der für eine Unfallmanipulation sprechenden Indizien gegeben ist.
5. Ausgangspunkt für die Feststellung eines verabredeten Unfalls ist regelmäßig das Absehen des (vermeintlich) Geschädigten von der Durchführung der Reparatur in einer Fachwerkstatt nach den Vorgaben des Schadensgutachtens mit konkreter Abrechnung und die Wahl der fiktiven Abrechnung des Schadens, weil nur so ein erheblicher Gewinn zu realisieren ist.
6. Ein Gewinn - gerichtsbekannt können die tatsächlich aufgewandten Kosten deutlich unter 50 % der Reparaturkosten nach Gutachten in einer Markenfachwerkstatt liegen - ist auch bei (teil-) finanzierten und sicherungsübereigneten sowie geleasten Fahrzeugen möglich, wenn dem Verfügungsberechtigten (zumindest) tatsächlich gestattet wird, den Schaden fiktiv abzurechnen.
7. Die Beiziehung und Verwertung von Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahrensakten ist im Zivilverfahren gemäß § 273 Abs. 2 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 49 b OWiG, § 474 Abs. 1 StPO zulässig, wenn der Inhalt der Akten für den Rechtsstreit von Bedeutung ist und sich eine Partei darauf beruft.
Normenkette
BGB §§ 242, 823; StVG § 7; ZPO § 273 Abs. 2, § 286
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 44 O 243/20) |
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er nach dem Ergebnis der Vorberatung beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den genannten Gründen bis zum 17. Januar 2022 Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Kläger begehrt wegen eines angeblichen Unfalls am 31. Mai 2019 auf der Grüntaler Straße in Höhe der Hausnummer 25 von den Beklagten, der Beklagten zu 1. als Haftpflichtversicherer und dem Beklagten zu 2. als Fahrzeugführer, in gewillkürter Prozessstandschaft für die Sicherungseigentümerin (fiktiven) Reparaturkostenersatz in Höhe von 36.050,47 EUR netto (36.130,47 EUR abzüglich 80 EUR für Wertverbesserung), 10.850 EUR Wertminderung, 20 EUR Unkostenpauschale und 12 EUR für Kosten der Akteneinsicht, insgesamt 46.932,47 EUR, sowie jeweils aus (rück-) abgetretenem Recht Gutachtenkosten in Höhe von 3.546,44 EUR brutto und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 EUR brutto.
Die Beklagte zu 1., die dem Rechtsstreit auch zur Unterstützung des anwaltlich nicht vertretenen Beklagten zu 2. beigetreten ist, hat u.a. behauptet, es läge ein verabredeter Unfall vor.
Der Beklagte zu 2. verursachte ausweislich der beigezogenen Akten ferner Unfälle am 27. Mai und 4. Juli 2019.
Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort durchgeführten Beweisaufnahme und gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, mit der Korrektur, dass die Klageforderung wie oben dargestellt bestimmt ist, d.h. die Reparaturkosten abzüglich 80 EUR Wertverbesserung - die der Kläger irrtümlich nicht angegeben, rechnerisch aber zutreffend abgezogen hat - geltend gemacht sind. Ferner wird ergänzt, dass bereits dem Landgericht die von ihm beigezogenen Akten des Polizeipräsidenten in Berlin 58.90.982552.9 sowie 12/270519/1408/A0 bzw. die von der Beklagten zu 1. eingereichten Kopien der Seiten 2 (d.h. die erste Seite der Unfallanzeigen) vorlagen.
Das Landgericht hat durch am 7. Juni 2021 verkündetes Urteil die Klage abgewiesen. Es ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu seiner vollen Überzeugung von einem verabredeten Unfall ausgegangen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 16. Juni 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. bzw. 14. Juli 2021 Berufung eingelegt, die er im gleichen Schriftsatz begründet hat.
Er meint, es sei eine erneute Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch das Berufungsgericht geboten. Die Feststellung des Landgerichts finde in den Bekundungen des Beklagten zu 2. und des Zeugen keine Stütze. Das Landgericht habe nicht ausreichend Grün...