Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 29.01.2019; Aktenzeichen 45 O 353/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 29. Januar 2019 verkündete Urteil der Zivilkammer 45 des Landgerichts Berlin - 45 O 353/15 - teilweise geändert und die Klage insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Sachverhaltes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte der aus dem angeblichen Verkehrsunfall vom 25. August 2014 gegen 13.15 Uhr auf der Kreuzung xxxstraße/xxxxstraße in Höhe von 11.031,80 EUR geltend gemachte Schadenersatzanspruch gemäß §§ 823 Abs. 1, 249, 252 BGB; 7, 17 StVG; § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und S. 4 VVG; § 421 BGB nicht zu, weil er den Unfall absichtlich verursachte, indem er den Verkehrsverstoß des bei der Beklagten versicherten Fahrzeugführers, der rechts vor links missachtete, bewusst ausnutzte. Zum einen hat er deshalb im Ergebnis der Abwägung der Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile den Schaden allein zu tragen. Zum anderen scheidet ein Ersatzanspruch von vornherein aus, weil ihm gegenüber der von ihm beabsichtigte Schaden jedenfalls wegen seiner "Einwilligung" auch nicht rechtswidrig herbeigeführt wurde.
Zwar trägt die Beklagte für ihre Behauptung, die Kollision sei von dem Kläger bewusst (unter Ausnutzung von typischen Verstößen anderer Verkehrsteilnehmer) herbeigeführt worden, die Darlegungs- und Beweislast. Die volle Überzeugung nach § 286 ZPO für ein unredliches Verhalten des vermeintlichen Opfers ergibt sich aber aus einer Gesamtschau aller der Entscheidung zu Grunde zu legenden Umstände, wenn eine besondere Häufung und/oder Qualität der für einen provozierten Unfall sprechenden Indizien gegeben ist (vgl. zum manipulierten Unfall BGHZ 71, 339 ff., 346; BGH VersR 1979, 514; vgl. auch BGH, Urteil vom 1.10.2019 VI ZR 164/18 - Rn. 8 f.; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1239; OLG Schleswig Nzv 2011, 291; OLG Saarbrücken, Urteil vom 4.12.2014 - 4 U 36/14 - NJW-RR 2015, 593; OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 1.6.2016 - 7 U 53/16 - NZV 2017, 33; die Grundsätze gelten beim provozierten Unfall entsprechend, vgl. Kaufmann in: Geigel, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 25 Rn. 14).
In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, dass bestimmte, nach ihrer Anzahl und/oder ihrer äußeren Erscheinungsform stets gleiche Beweisanzeichen nachgewiesen werden müssen. Entscheidend ist deren Werthaltigkeit. Es ist ohne Belang, wenn bei isolierter Betrachtung sich für einzelne Indizien eine plausible Erklärung finden lässt oder diese jeweils allein nicht den Schluss auf ein gestelltes Ereignis bzw. das bewusste Ausnutzen von Verkehrsverstößen anderer Verkehrsteilnehmer nahelegen. Die Feststellung einer vorsätzlichen Schadenszufügung folgt vielmehr aus der Häufung derartiger Umstände, die nur noch die Annahme zulässt, es könne sich nicht mehr um einen Zufall handeln.
Eine solche Häufung von Beweisanzeichen für einen vorsätzlich herbeigeführten Schadensfall durch den Kläger liegt hier vor. Das Landgericht hat bei seiner Erörterung den wirtschaftlichen Hintergrund derartigen betrügerischen Verhaltens nicht erfasst und deshalb den rechtlichen Ansatz verkannt.
1. Zunächst ist - anders als das Landgericht mit der Einordnung als nebensächlich gemeint hat - Voraussetzung, dass der vermeintlich Geschädigte fiktiv abrechnet, weil andernfalls ein Gewinn nicht erzielbar ist. Bei fiktiver Abrechnung ergibt sich eine Gewinnmöglichkeit durch die Differenz zwischen den fiktiven (Netto-) Reparaturkosten und den tatsächlich anfallenden Kosten einer Reparatur in Eigenregie. Diese Differenz kann gerichtsbekannt ganz erheblich (über 50 % und auch deutlich darüber) zugunsten des vermeintlichen Opfers ausfallen, insbesondere wenn nicht nach den Vorgaben des Gutachtens repariert wird und lediglich äußerlich der Anschein einer Reparatur nach Gutachten erweckt wird.
2. Um solche hohen Gewinne - ohne das Risiko eines wirtschaftlichen Totalschaden - realisieren zu können, ist bei vergleichbar geringem Einsatz (Erwerb eines typischerweise nur wenige Jahre alten Gebrauchtfahrzeuges) dennoch ein hochwertiges Fahrzeug erforderlich, dessen Wiederbeschaffungswert vergleichsweise hoch ist und mit dem hohe Reparaturkosten nach Gutachten zu erzielen sind. Vorliegend handelt es sich um einen gebraucht erworbenen BMW 525d Automatik mit Erstzulassung am 4. Mai 2010, mit dem durchaus besonders hohe Gewinne realisierbar sind.
3. Anders als das Landgericht gemeint hat, ist es ein mögliches weiteres Indiz, wenn - wie hier durch die vorherige Zulassung in Belgien - die Herkunft und damit die Fahrzeughistorie verschleiert sein kann. Vorunfälle sind so für die gegnerischen Versicherungen nur schwer zu ermitteln. Vorgeschädigte Fahrzeuge werden im allgemeinen aber zu geringeren Kaufpreisen veräußert, so dass sich das Verhältnis zwi...