Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 12.09.2011; Aktenzeichen (509) 18 Ju Js 714/10 Ns (43/11)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. September 2011 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten - Jugendgericht - in Berlin hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, gegen ihn zwei Freizeitarreste verhängt und ihm die Auflage erteilt, 300 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten zu zahlen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht - Jugendkammer - das Urteil im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und gegen den Angeklagten ...wegen Schwere der Schuld eine Jugendstrafe von neun Monaten verhängt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Hiergegen hat der Angeklagte Revision eingelegt, die er bei sachgemäßer Auslegung in zulässiger Weise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat. Das Rechtsmittel hat Erfolg
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stieß der erheblich alkoholisierte zur Tatzeit siebzehnjährige, bisher nicht bestrafte Angeklagte auf den Geschädigten, der sich seiner Forderung, ihm eine Zigarette zu geben, widersetzt hatte, aus Verärgerung über die Abfuhr, aus Wut oder aus Geringschätzung am 27. März 2010 spontan zweimal mit einem Messer ein, wobei der erste Stich nur die Jacke des Geschädigten traf, während der zweite Stich eine zwei Zentimeter tiefe Fleischwunde in dessen Bauch verursachte, die mit zwei Stichen medizinisch versorgt werden musste. Das Landgericht hat den getroffenen Strafausspruch allein wegen der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG für erforderlich gehalten und ausgeführt, dass nur die Verhängung einer Jugendstrafe, die aus erzieherischen Gründen notwendig sei, in Betracht komme, da der Angeklagte trotz der erheblichen Minderung der Steuerungsfähigkeit eine schwere Straftat begangen habe und dadurch den Geschädigten nicht unerheblich verletzt habe (UA. S. 7 f.).
Diese hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Wie die Generalstaatsanwaltschaft unter Bezugnahme auf den Beschluss des Senats vom 9. September 2011 - (4) 1 Ss 386/11 (239/11) - zu Recht ausgeführt hat, bemisst sich die Schwere der Schuld i.S.d. § 17 Abs. 2 JGG nach dem Gewicht der Tat und der in der Persönlichkeit des Angeklagten begründeten Beziehung zu ihr. Dem äußeren Unrechtsgehalt der Tat kommt keine selbständige Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr die innere Tatseite, d. h. inwieweit sich die charakterliche Haltung und die Persönlichkeit sowie die Tatmotivation des Jugendlichen in vorwerfbarer Schuld niedergeschlagen haben. Die Schwere der Schuld ist nicht abstrakt messbar, sondern nur in Beziehung zu einer bestimmten Tat zu erfassen, so dass deren äußerer Unrechtsgehalt, insbesondere die Bewertung des Tatunrechts, die in den gesetzlichen Strafandrohungen ihren Ausdruck findet, nicht unberücksichtigt bleiben darf. Demgemäß ist die Schwere der Schuld vor allem bei Kapitalverbrechen zu bejahen und wird daneben in der Regel nur bei anderen besonders schweren Taten in Betracht kommen (vgl. BGHSt 15, 224; BGH StV 1982, 325; Senat, aaO.; OLG Hamm StV 2011, 175). Eine derartige besonders schwere Tat hat das Landgericht jedoch nicht ausreichend festgestellt. Die Annahme der Schwere der Schuld hat es erkennbar lediglich auf die Gefährlichkeit der "schweren Gewalttat" an sich gestützt. Dies lässt besorgen, dass das Landgericht ohne ausreichende Berücksichtigung des Tatmotivs und des spontanen Tatentschlusses zu einseitig auf das in der Tathandlung zum Ausdruck kommende Tatunrecht abgestellt hat, was sich bei einem Jugendlichen als rechtsfehlerhaft erweist. Dies umso mehr, als das Gericht dem Angeklagten vorliegend - allerdings nicht durch Darlegung einer überprüfbaren Rückrechnung von Trinkmengenangaben - eine verminderte Schuldfähigkeit attestiert hat.
b) Hinzu kommt, dass Jugendstrafe nur verhängt werden darf, wenn und soweit dies aus erzieherischen Gründen auch zur Zeit der Urteilsfindung noch erforderlich ist. Dies gilt auch für die reine Schuldstrafe nach § 17 Abs. 2 2. Alt. JGG (vgl. Senat, Beschluss vom 19. September 2003 - (4) 1 Ss 195/03 (132/03) -). Die danach für die rechtsfehlerfreie Anwendung des § 17 Abs. 2 JGG unerlässliche zusätzliche Erörterung, ob die Verhängung von Jugendstrafe zur erzieherischen Einwirkung auf den geständigen Angeklagten geboten ist, genügt den hieran zu stellenden Anforderungen nicht. Das Urteil muss nämlich erkennen lassen, welche konkreten erzieherischen Wirkungen von der Jugendstrafe ausgehen sollen (vgl. Senat aaO.; KG StV 2009, 91, 92; Senat, Beschluss vom 25. April 2007 - (4) 1 Ss 81/07 (90/07) -; OLG Köln StV 1999, 667, 668). Die Begründung, trotz seiner positiven Entwicklung nach dem erst...