Leitsatz (amtlich)

In Fällen hoher Steuerschäden kann eine Strafaussetzung zur Bewährung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe in besonderem Maße auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue beeinträchtigen.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 20.01.2017; Aktenzeichen 591 StVK 5/17)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 20. Januar 2017 aufgehoben.

Der Antrag des Verurteilten, die Vollstreckung der Reststrafe aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2013 zur Bewährung auszusetzen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Der Beschwerdegegner befindet sich ... in Strafhaft. Er verbüßt eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und fünf Monaten aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 30. Januar 2013 - (536) 2 St Js 1532/08 KLs (9/12) - wegen 2.785 Fällen des gewerbs- und bandenmäßigen Schmuggels, davon in 960 Fällen in Tateinheit mit Steuerhinterziehung und in 974 weiteren Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung.

Die Hälfte dieser Strafe ist seit dem 16. September 2016 vollstreckt; zwei Drittel der Strafe werden am 11. Februar 2018 vollstreckt sein. Das Strafende ist auf den 2. Dezember 2020 notiert.

Das Landgericht Berlin - Strafvollstreckungskammer - hat die Vollstreckung der Reststrafe durch Beschluss vom 20. Januar 2017 ab dem 25. Januar 2017 (Tagesende) für die Dauer von vier Jahren zur Bewährung ausgesetzt und den Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit der Aufsicht und Leitung des örtlich zuständigen hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt.

1. Die gegen die Aussetzung der Restfreiheitsstrafe gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin ist statthaft (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhoben (§ 311 Abs. 2 StPO).

2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung über eine Aussetzung der Vollstreckung schon nach Verbüßung der Hälfte der Strafe gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB setzt voraus, dass die Gesamtwürdigung von Tat, Persönlichkeit des Verurteilten und seiner Entwicklung im Strafvollzug das Vorliegen besonderer Umstände ergibt, die über eine günstige Prognose nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB hinausgehen. In die Gesamtwürdigung fließen Gesichtspunkte der Schuldschwere, der Generalprävention und damit der Verteidigung der Rechtsordnung ein (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 31. März 2014 - III 2 Ws 103/14 - m. w. N., juris Rn. 11; KG, Beschluss vom 30. Juli 2014 - 2 Ws 270/14 - m. w. N., juris Rn. 3). Dabei ist darauf abzustellen, ob eine Strafaussetzung zur Bewährung auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue ernstlich beeinträchtigen würde (vgl. BGHSt 24, 40, 46), so dass für die Aussetzung sprechende rein täterbezogene Umstände ausnahmsweise zurücktreten müssen (vgl. BGHSt 24, 64, 69; KG, Beschluss vom 9. Juli 1997 - 5 Ws 425/97 -, juris Rn. 2). An eine Aussetzung sind dabei strenge Maßstäbe anzulegen. Dem Ausnahmecharakter der Regelung des § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB entsprechend sind besondere Umstände nur solche, die im Vergleich mit gewöhnlichen Milderungsgründen von besonderem Gewicht sind. Dabei sind sowohl günstige als auch ungünstige Umstände zu beachten (vgl. KG a. a. O.). Besondere Umstände in diesem Sinne liegen nicht vor.

a) Nach den Urteilsgründen war der Beschwerdegegner Mitglied einer international agierenden Bande, die Waren aus Asien in das Bundesgebiet einschleuste und Abgaben (Zoll, Antidumping-Zoll und Einfuhrumsatzsteuer) in Höhe von etwa 67 Millionen Euro hinterzog. Der Beschwerdegegner übernahm über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren wichtige Aufgaben innerhalb der Gruppierung. Er bereitete für mehrere Hundert Container-Lieferungen die Zollanmeldungen am Zollamt Dreilinden vor, kümmerte sich später um die Buchführung und erstellte unwahre Dokumente, die für die Zollanmeldungen erforderlich waren. Die Ausführungen der Taten heben die Geschehnisse trotz des umfassenden Geständnisses und der für die Ermittlungsbehörden wertvollen Angaben zu den übrigen Tatbeteiligten von anderen Delikten im Bereich der Steuerhinterziehung durch den enormen Gesamtsteuerschaden und den langen Tatzeitraum deutlich ab. Vor diesem Hintergrund relativiert sich die von der Strafvollstreckungskammer geteilte Einschätzung der Justizvollzugsanstalt des Offenen Vollzuges Berlin, es handele sich lediglich um ein "lebensphasisches Geschehen", zumal der Beschwerdegegner nach den Urteilsfeststellungen mit hoher krimineller Energie handelte und er in Kenntnis der gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungen die Taten zunächst hartnäckig fortsetzte. In Fällen wie diesen würde eine Strafaussetzung zur Bewährung bereits nach Verbüßung der Hälfte der Strafe in besonderem Maße auf das Unverständnis der Bevölkerung stoßen und deren Rechtstreue beeinträchtigen (vgl. zu Fällen hoher Steuerschäden: KG, Beschluss vom 14. Mai 2002 - 5 Ws 270/02 -; Senat, Beschluss vom 11. Januar 2017 - 5 Ws 214/16 -).

b) Zwar können die T...

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