Entscheidungsstichwort (Thema)
Handelsvertreterprovision im Kraftstoff-Vertrieb an Tankstellen: Provisionsreduzierung beim Einsatz von Bankkarten und Kreditkarten durch Tankkunden
Leitsatz (amtlich)
1. Beschafft der Unternehmer bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten (Bankkarten/Kreditkarten) und stellt er diese dem Handelsvertreter für den Verkauf von Agenturware zur Verfügung, sind diese Zahlungsmöglichkeiten nicht als - zwingend kostenlos zu gewährende - erforderliche Unterlage im Sinne des § 86a Abs. 1 HGB anzusehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Handelsvertreter sich die Zahlungsdienstleistung auch selbst am Markt beschaffen könnte (zu B.I.1.).
2. Eine in diesem Zusammenhang getroffene Vereinbarung geringerer Provision für den Fall des Einsatzes von Bankkarten/Kreditkarten durch den Tankkunden ist als Vereinbarung eines Preises für die Nutzung bei der Kreditwirtschaft beschaffter bargeldloser Zahlungsdienste kontrollfrei und damit auch in AGB wirksam (zu B.I.2.a.).
3. Eine solche Vereinbarung wiche zudem nur dann nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB von dem in § 87d HGB niedergelegten gesetzlichen Leitbild zu Lasten des Handelsvertreters ab, wenn die kostenfreie Zurverfügungstellung bargeldloser Zahlungsmöglichkeiten an Handelsvertreter durch die Mineralölfirmen handelsüblich wäre (zu B.I.2.b.aa.).
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1, Abs. 2; HGB §§ 86a, 87b Abs. 2 S. 1, § 89b Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 31.10.2019; Aktenzeichen 104 O 95/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 31.10.2019, Aktenzeichen 104 O 95/18, wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Berlin ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 175.195,21 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Der Kläger war auf Basis eines "Tankstellen-Verwalter-Vertrages" ab dem 16.12.2003 Handelsvertreter der Beklagten, einer Mineralölfirma, für den Vertrieb von Kraftstoffen auf dem "Autohof W." in W. In dem von der Beklagten gestellten "Tankstellen-Verwalter-Vertrag" war zu "§ 7 - Provisionen" vorgesehen, dass sich die in Nr. 1 geregelte Umsatzprovision in Höhe von 12,50 EUR je m3 Motorenkraftstoff reduzieren solle, und zwar nach Nr. 1.2 bei Geschäften über ec-Karten und Karten der deutschen Kreditwirtschaft um 1,25 EUR/m3 und nach Nr. 1.3 bei Geschäften über Kreditkarten um 4,50 EUR/m3. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Die Beklagte zahlte dem Kläger im Hinblick hierauf in den Jahren 2015 bis einschließlich September 2018 um insgesamt 172.714,77 EUR brutto reduzierte Provisionen aus. Das Vertragsverhältnis endete zum 31.01.2019.
Mit der Klage begehrt der Kläger nunmehr Zahlung in Höhe des Einbehalts. Wegen der landgerichtlichen Feststellungen im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Mit dieser hat das Landgericht ein klageabweisendes Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe kein Anspruch aus § 812 BGB auf Erstattung der Abzüge zu. Rechtsgrund für das Behaltendürfen der eingezogenen Beträge sei die wirksame Regelung im Tankstellen-Verwalter-Vertrag. Es handle sich nicht um eine Kostenbeteiligung des Klägers, sondern um eine nicht zu beanstandende Reduzierung der Provision. Die Regelung sei weder nach § 86a HGB noch nach § 307 BGB unwirksam. Es handele sich um eine Preisvereinbarung, die der Inhaltskontrolle entzogen sei.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung und verfolgt das Klagebegehren weiter. Die Beklagte habe nicht in Abhängigkeit von der Zahlungsweise des Kunden, auf die der Handelsvertreter keinen Einfluss habe, unterschiedliche Provisionssätze verlangen können, obgleich die Hauptleistung des Handelsvertreters identisch sei. Nach § 87b Abs. 2 Satz 1 HGB sei die Provision stets vom vollen Bruttoentgelt zu berechnen. Der reduzierte Provisionssatz diene ausschließlich dem Zweck, von der Beklagten an die jeweilige Kartengesellschaft abzuführende Gebühren auf den Handelsvertreter abzuwälzen. Das vom Unternehmer zu tragende Verlustrisiko dürfe aber nicht auf den Handelsvertreter verlagert werden. Angesichts dessen seien auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten zu ersetzen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 175.195,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.09.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die landgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Rechtsstandpunktes. Bei der in § 86a HGB normi...