Entscheidungsstichwort (Thema)
COVID-Erleichterungen für das im Umlaufverfahren gelten auch für GmbH mit Satzungsbestimmungen zum Umlaufverfahren
Leitsatz (amtlich)
Die in § 2 COVMG in Abweichung von § 48 Abs. 2 GmbHG vorgesehenen Erleichterungen für die Beschlussfassung im Umlaufverfahren (hier: Beschlussfassung durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis aller Gesellschafter) sind nicht auf solche GmbH beschränkt, in deren Satzung noch gar keine Regelung für Umlaufbeschlüsse vorgesehen ist (entgegen LG Stuttgart, Urteil vom 25.1.2021 - 44 O 52/20 KfH -, Rn. 36 nach juris). Es wäre mit der Zielsetzung der COVID-Sondergesetzgebung nicht zu vereinbaren, würde gerade bei Gesellschaften, die sich für Umlaufbeschlüsse bereits grundsätzlich geöffnet und damit in gewissem Sinne Vorsorge getroffen haben, eine COVID-bedingte Handlungsunfähigkeit hingenommen, während sie bei Gesellschaften ohne solche Vorkehrungen vom Gesetzgeber behoben worden ist.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 1 S. 1; GmbHG § 45 Abs. 2, § 48 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 02.11.2021; Aktenzeichen 91 O 16/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 02.11.2021, Az. 91 O 16/21, bei einem Streitwert von 34.449,50 EUR gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.6.2023.
Gründe
I. Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§§ 511 ff. ZPO) eingelegt und begründet worden. Der Berufung fehlt es jedoch iSd. § 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO an Erfolgsaussicht, weil nach dem Inhalt der gewechselten Schriftsätze erkennbar ist, dass das Urteil in sachlich-rechtlicher Hinsicht keine Fehler aufweist und die vorgebrachten Rügen dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg verhelfen können (vgl. BT-Drs. 17/6406, 11 mit Hinweis auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10.10.2001 - 2 BvR 1620/01, NJW 2002, 814, Rn. 11 nach juris; BeckOK-ZPO/Wulf, 1.9.2022, § 522 Rn. 14). Denn nach § 513 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Weder das eine noch das andere ist jedoch vorliegend der Fall, weil das Landgericht die Klageanträge zu 4) und zu 8) zu Recht abgewiesen hat. Die Einwände der Berufung veranlassen keine andere Entscheidung. Weder ist das Umlaufverfahren zu beanstanden (dazu 1.), noch war die Stimmabgabe der Bandmitglieder wegen Interessenkollision (dazu 2.) oder wegen Verstoßes gegen die gesellschaftliche Treuepflicht (dazu 3.) unwirksam.
1. Die Beschlussfassung war insbesondere nicht deswegen anfechtbar, weil die Gesellschafter beider Beklagter nach den insoweit gleichlautenden Satzungen den entsprechenden Beschluss nicht im Umlaufverfahren hätten treffen dürfen.
Nach § 8 Abs. 1 der Satzungen können Beschlüsse der Gesellschafter außerhalb von Versammlungen, soweit nicht zwingendes Recht eine andere Form vorschreibt, durch schriftliche, fernschriftliche, telegrafische oder mündliche, auch fernmündliche Abstimmung gefasst werden, wenn sich jeder Gesellschafter an der Abstimmung beteiligt. Der Kläger hat sich aber an der Abstimmung beteiligt. Soweit er auf dem Abstimmungsblatt zugleich durch Ankreuzen erklärt hat, er sei mit der schriftlichen Beschlussfassung "nicht einverstanden" (im Anlagenkonvolut K 25 und K26), führt dies zu keinem anderen Ergebnis, weil er zugleich im Einzelnen Stimmen abgegeben hat, die bei der Beschlussfeststellung auch berücksichtigt worden sind. Der Widerspruch gegen das Abstimmungsverfahren, an dem er aber mitgewirkt hat, ist bei dieser Sachlage als unbeachtliche Verwahrung (sog. protestatio facto contraria) unbeachtlich (vgl. BGH, Urteil vom 25.9.1985 - IVa ZR 22/84 -, BGHZ 95, 393 Rn. 15 nach juris; Jauernig/Mansel, 18. Aufl. 2021, BGB § 242 Rn. 49).
Selbst wenn das derart widersprüchliche Verhalten des Klägers in dem Sinne zu werten wäre, dass er tatsächlich an der Abstimmung gar nicht habe teilnehmen wollen und auch nicht habe, ergäbe sich im Ergebnis nichts anderes. Das hier per E-Mail und Einschreiben durchgeführte Abstimmungsverfahren genügte angesichts der Sonderregelung in § 2 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie vom 27.03.2020 (BGBl. I 569, 571, in Kraft getreten am Folgetag, verlängert bis einschließlich 31.12.2021 durch die Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschaf...