Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmung zu baulichen Veränderungen durch Mehrheitsbeschluss. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn im Einzelfall eine konkrete Einbruchsgefahr festgestellt ist, kann einem einzelnen Wohnungseigentümer gegen die Gemeinschaft der Anspruch auf Gestattung zustehen, dass er auf eigene Kosten und bis zur Schaffung anderweitiger Sicherungsmaßnahmen bisher nicht vorhandene Einbruchssicherungen vor den Fenstern seiner Wohnung anbringt (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 15. Dezember 1993 – 24 W 2014/93 –; OLGZ 1994, 391 = NJW-RR 1994, 401; vgl. OLG Zweibrücken NZM 2000, 623 = ZWE 2000, 283).
2. Weist die Teilungserklärung die Entscheidung über bauliche Veränderungen der Eigentümerversammlung zu, ohne klarzustellen, ob in Abweichung von § 22 Abs. 1 WEG ein Mehrheitsbeschluss genügt, ist diese Gemeinschaftsangelegenheit damit durch Vereinbarung der Beschlusskompetenz überantwortet (Öffnungsklausel). Durch bestandskräftig gewordenen Mehrheitsbeschluss kann die Kompetenz zur Fassadensanierung auf eigene Kosten den einzelnen Wohnungseigentümern einer Reihenhausanlage übertragen werden.
Normenkette
WEG § 10 Abs. 1, § 15 Abs. 3, § 21 Abs. 3, § 22 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
AG Berlin-Neukölln (Aktenzeichen 70 II 65/98) |
LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 35/99) |
Tenor
A. Rechtsmittel gegen den Teilbeschluss
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 3) bis 11) wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten dritter Instanz werden dem Verwaltungsvermögen der Eigentümergemeinschaft auferlegt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 2.500,00 DM festgesetzt.
B. Rechtsmittel gegen den Endbeschluss
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller haben als Gesamtschuldner die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 7.500,00 DM festgesetzt.
Gründe
Die Antragsteller und die weiteren Beteiligten zu 3) bis 11) bilden die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage. Die Wohnanlage besteht aus 7 Reihenhäusern, und zwar in 2 Reihen zu 3 bzw. 4 Häusern. In § 7 Abs. 2 des am 17. Februar 1969 notariell geschlossenen Teilungsvertrages heißt es u.a.: „Die Wohnungseigentümer dürfen die in gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Teile der Gebäude nicht verändern. Dies gilt auch für den Außenanstrich der Gebäude, der Fenster und Abschlusstüren. Über derartige Veränderungen entscheidet die Eigentümerversammlung.” Auf der Eigentümerversammlung vom 28. Mai 1975 wurde zu TOP 6 b) mit fünf Ja-Stimmen gegen zwei Nein-Stimmen u.a. beschlossen: „…, dass jeder Hauseigentümer den Außenputz an der Ost- und Westseite seiner Wohnung selbst und auf eigene Kosten instandzuhalten hat…. Hinsichtlich der Instandhaltung der Ost- und Westfronten in Putz-Farbe und sonstigem Material sollen dem Einzelnen keine Beschränkungen auferlegt werden.” Nach einem Beschluss des Senats vom 2. Dezember 1991 – 24 W 3172/91 – hält sich die teilweise Verklinkerung der Ost- und Westseite der Mehrhausanlage im Rahmen des vorgenannten Beschlusses.
Auf der Eigentümerversammlung vom 19. Mai 1998 wurde zu TOP 6 mit vier Ja-Stimmen bei einer Nein-Stimme und zwei Enthaltungen u.a. beschlossen: „Die Eigentümergemeinschaft beschließt, jedem Eigentümer die Installation von Vollwärmeschutz zu genehmigen…. Dessen ungeachtet wird an den Beschluss vom 28.5.1975 erinnert, sowie an die Abstimmungsmodalitäten bei Baumaßnahmen.” Im Übrigen wurde u.a. zu TOP 8 mit sechs Ja-Stimmen gegen eine Nein-Stimme folgender Beschluss gefasst: „Die Eigentümergemeinschaft beschließt, die Installation eines schmiedeeisernen Gitters vor dem Küchen-/Eßzimmerfenster gartenseitig auf Kosten der Eigentümer A. durchführen zu lassen. Es dürfen der Eigentümergemeinschaft keine Kosten und auch keine Folgekosten entstehen.” Inzwischen ließ die Antragsgegnerin zu 3) die Ostseite des Hauses C mit einem Vollwärmeschutz verkleiden. Die Hausfassaden der Reihenhausanlage weisen im Übrigen zum Teil nach außen erkennbare Putzschäden auf.
Die Antragsteller haben unter Berufung darauf, dass es sich um bauliche Veränderungen handele, die nur allstimmig beschlossen werden könnten, u.a. die Eigentümerbeschlüsse vom 19. Mai 1998 zu TOP 6 und TOP 8 angefochten. Mit Beschluss vom 12. Januar 1999 hat das Amtsgericht diese Anfechtungsanträge zurückgewiesen. Mit Beschluss vom 20. August 1999 hat das Landgericht auf die Erstbeschwerde der Antragsteller den Eigentümerbeschluss vom 19. Mai 1998 zu TOP 8 (schmiedeeisernes Gitter) für ungültig erklärt. Mit dem Endbeschluss vom 19. Mai 1998 hat das Landgericht die Erstbeschwerde der übrigen Beteiligten gegen die Zurückweisung des Anfechtungsantrages zu TOP 6 (Vollwärmeschutz) zurückgewiesen. Die gegen den Teilbeschluss und den Endbeschluss eingelegten Rechtsbeschwerden bleiben erfolglos.
Die sofortigen weiteren Beschwerden sind gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig...