Entscheidungsstichwort (Thema)
Berliner Wasserbetriebe - Anstalt des öffentlichen Rechts - betreiben ein Handelsgewerbe i.S.v. § 1 Abs. 1 und 2 Halbs. 1 HGB
Normenkette
GVG § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a), § 102; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Tenor
Die Voraussetzungen für eine Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor.
Die Sache ist weiterhin bei der Kammer für Handelssachen 94 des LG Berlin anhängig.
Gründe
I. Die Zivilkammer 3 und die Kammer für Handelssachen 94 des LG Berlin streiten über die funktionelle Zuständigkeit für ein Verfahren, in welchem der Kläger betriebliche Ruhegeldansprüche gegen die Beklagte, die B., geltend macht. Der Kläger leitet die Ansprüche aus dem Vertrag ab, mit dem er von der Beklagten als Mitglied des Vorstandes angestellt wurde. Heute ist das Dienstverhältnis beendet.
Die Sache war zunächst bei der Zivilkammer 3 des LG Berlin anhängig. Auf Antrag der Beklagten verwies die Zivilkammer den Rechtsstreit mit Beschluss vom 24.5.2008 (Bl. 26 d.A.) ohne vorherige Anhörung des Klägers an die zuständige Kammer für Handelssachen. Zur Begründung führte die Zivilkammer aus, es handele sich um eine Handelssache, ohne dies näher zu begründen. Der Beschluss wurde beiden Parteien mitgeteilt (Bl. 26 d.A.). Die Kammer für Handelssachen 94 erklärte sich hierauf mit Beschluss vom 27.6.2008 (Bl. 45 d.A.) für funktionell unzuständig und legte die Sache zur Zuständigkeitsbestimmung dem Kammgericht vor. Die Kammer für Handelssachen ist der Auffassung, der Beschluss der Zivilkammer sei ausnahmsweise nicht nach § 102 GVG bindend, zudem liege keine Handelssache vor; insbesondere scheitere die Anwendung des § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a) GVG daran, dass die Beklagte keine Handelsgesellschaft, sondern Anstalt des öffentlichen Rechts sei.
II.1. Das KG ist nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, der auf Streitigkeiten über die funktionelle Zuständigkeit zwischen einer Kammer für Handelssachen und einer Zivilkammer entsprechend anzuwenden ist (ebenso OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2005, 257 [257]; OLG Celle OLGReport Celle 2004, 370 [370]; OLG Stuttgart OLGReport Stuttgart 2002, 455 [455]; OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 1995, 154 [154]; KG, Beschl. v. 13.3.2008, 2 AR 10/08; Gummer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 102 GVG Rz. 3), zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers innerhalb des LG Berlin berufen. Denn sowohl die Zivilkammer 3 als auch die Kammer für Handelssachen 94 haben sich mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für funktional unzuständig erklärt (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 36 Rz. 25).
2. Allerdings ist der für die Zuständigkeitsbestimmung maßgebliche Sachverhalt nicht hinreichend geklärt. Dies führt zur Zurückgabe der Sache an die Kammer für Handelssachen 94, damit diese den Sachverhalt weiter aufklärt und so auf verbesserter Tatsachengrundlage - unter Berücksichtigung der in diesem Beschluss enthaltenen Hinweise - erneut darüber entscheiden kann, ob es den Verweisungsbeschluss der Zivilkammer 3 akzeptiert.
a) Maßgeblich für die Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit ist u.a. die Frage, ob die Beklagte in das Handelsregister eingetragen ist.
Denn die Kammer für Handelssachen 94 wäre zumindest analog § 95 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a), 4. Alternative GVG ("zwischen Vorsteher einer Handelsgesellschaft und der Gesellschaft") funktionell zuständig, wenn die Beklagte in das Handelsregister eingetragen wäre; wäre die Beklagte nicht im Handelsregister eingetragen, wäre die Zivilkammer 3 funktionell zuständig. Dies ergibt sich aus Folgendem:
aa) Der Kläger ist Vorsteher der Beklagten.
Vorsteher im Sinne der Vorschrift sind die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft (Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 95 Rz. 14). Gesetzlicher Vertreter der Beklagten ist zwar gem. §§ 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 Satz 1 Berliner Betriebe-Gesetz (BerlBG) deren Vorstand, d.h. nicht der Kläger. Denn der Vorstand der Beklagten setzt sich gem. § 7 Abs. 1 BerlBG aus mehreren Personen zusammen, von denen gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 BerlBG mindestens zwei gemeinschaftlich handeln müssen. Es ist jedoch gerechtfertigt, in Fällen, in denen das Vertretungsorgan einer Gesellschaft aus mehreren Personen bestehen, jedes einzelne Mitglied als Vorsteher im Sinne der o.g. Vorschrift anzusehen (ebenso: Kissel/Mayer, GVG, 5. Aufl. 2008, § 95 Rz. 14). Hierfür spricht, dass andernfalls bei Kollegialorganen im Wesentlichen nur solche Streitigkeiten als "Handelssache" zu qualifizieren wären, bei denen organschaftliche Rechte des Vertretungsorgans, die von mehreren, wenn nicht gar allen Organmitgliedern geltend gemacht werden, Streitgegenstand sind; die Geltendmachung von organschaftlichen Rechten durch nur einzelne, alleine nicht vertretungsberechtigte Organmitglieder und die Geltendmachung von individuellen Ansprüchen des Organs aus seinem Anstellungsvertrag mit der Gesellschaft würde hingegen nicht als Handelssache zu behandeln sein. Letzteres steht indessen in Widerspruch mit der bisherigen gerichtlichen ...