Leitsatz (amtlich)
1. Der Erfüllungsort eines Mobilfunkdiensteanbieters i.S.v. § 269 BGB befindet sich an jedem Ort im Bereich seines Funknetzes.
2. Bei der Bestimmung des Erfüllungsortes des Kunden eines Mobilfunkdiensteanbieters i.S.v. § 269 BGB sind die Grundsätze der Rechtsprechung zum "gemeinsamen Erfüllungsort" nicht anzuwenden.
3. a)Einem Verweisungsbeschluss ist wegen Vorliegens von Willkür ausnahmsweise die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO u.a. dann zu versagen, wenn das verweisende Gericht eine Zuständigkeitsnorm weder in den Gründen seines Verweisungsbeschlusses noch in dort in Bezug genommenen Teilen der gerichtlichen Verfahrensakte erörtert hat und diese Norm eindeutig seine Zuständigkeit begründet; ein vorsätzliches Außerachtlassen der Norm ist in diesen Fällen nicht erforderlich.
b) Ist hiernach Willkür zu bejahen, gilt diese als geheilt, wenn die Verweisung im Einvernehmen beider Parteien erfolgte und die Zuständigkeitsfrage nicht erstmals durch das Gericht aufgeworfen wurde.
Tenor
Das AG Tempelhof-Kreuzberg wird als das örtlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im Bezirk des AG Tempelhof Kreuzberg. Die Beklagte betreibt ein Mobilfunknetz. Sie hat ihren Sitz in Düsseldorf und eine - von deutschlandweit insgesamt acht - sog. Niederlassungen in Berlin; diese befindet sich im Bezirk des AG Tempelhof-Kreuzberg (A.-straße). Im Bezirk des AG Neukölln unterhält die Beklagte ein Ladenlokal. Die Klägerin begab sich zu diesem Laden und schloss mit der Beklagten einen Vertrag über ein Mobilfunkgerät und Mobilfunkleistungen ab. Weil sie sich allerdings von dem Ladenangestellten schlecht beraten fühlte, focht sie den Vertrag an. Mit der streitgegenständlichen Klage begehrt sie Feststellung der Wirksamkeit ihrer Anfechtung.
Das zunächst angerufene AG Tempelhof-Kreuzberg forderte die Klägerin unmittelbar nach Eingang der Klageschrift auf, im Hinblick auf § 21 ZPO zur Selbständigkeit der Niederlassung in der A.-straße vorzutragen. Hierauf entbrannte ein Streit zwischen den Parteien über das Eingreifen des § 21 ZPO. Das AG Tempelhof-Kreuzberg teilte daraufhin mit, es sehe sich als örtlich unzuständig an und ordnete, nachdem die Klägerin an ihrer Auffassung festhielt, Termin zur mündlichen Verhandlung an. Im weiteren Verlauf beantragte die Klägerin dann aber doch die Verweisung an das AG Düsseldorf und das AG Tempelhof-Kreuzberg leistete diesem Antrag Folge. In der Begründung des Verweisungsbeschlusses führte es lediglich zum Nichteingreifen des § 21 ZPO aus. Das AG Düsseldorf hält den Verweisungsbeschluss für nicht bindend. Die Entscheidung sei willkürlich, weil das AG Tempelhof-Kreuzberg verkannt habe, nach § 29 ZPO örtlich zuständig zu sein.
II.1. Das KG ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen, nachdem sich zunächst das AG Tempelhof-Kreuzberg und sodann das AG Düsseldorf mit nicht mehr anfechtbaren Entscheidungen für unzuständig erklärt haben.
2. Das AG Tempelhof-Kreuzberg ist nach § 29 Abs. 1 ZPO örtlich zuständig.
Nach § 29 Abs. 1 ZPO besteht ein besonderer Gerichtsstand für Streitigkeit über das Bestehen eines Vertragsverhältnisses dort, wo die streitige Verpflichtung zu erfüllen wäre. Dabei genügt es, dass jedenfalls ein Teil der Vertragspflichten im Bezirk des angerufenen Gerichtes zu erfüllen wäre (Vollkommer in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 29 Rz. 17).
Nach § 269 BGB sind sowohl die vertraglichen Pflichten der Klägerin als auch diejenige der Beklagten zumindest auch im Bezirk des AG Tempelhof-Kreuzberg zu erfüllen. Für die Pflichten der Beklagten ergibt sich dies aus der Natur des im Streit stehenden Schuldverhältnisses. Denn dieses ist darauf gerichtet, die Klägerin im gesamten Bereich ihres deutschen Funknetzes, d.h. jedenfalls auch im Bezirk des AG Tempelhof-Kreuzberg, mit Funksignalen und dazugehörenden Mobilfunkleistungen zu versorgen (ähnlich OLG Braunschweig OLGReport Braunschweig 2006, 652 [653]). Der Sitz der Beklagten, auf den nach § 269 Abs. 1 BGB hilfsweise abzustellen wäre, ist daher nicht von Belang. Für die Pflichten der Klägerin folgt der Kreuzberger Erfüllungsort aus dem Wohnsitz der Klägerin; insofern ist aus der Natur des streitgegenständlichen Schuldverhältnisses nicht auf einen bestimmten Leistungsort zu schließen. Zwar folgert die Rechtsprechung bei einer Reihe von Typen gegenseitiger Verträge aus deren Natur, dass ein sog. gemeinsamer Erfüllungsort für beide Vertragspflichten dort besteht, wo die vertragscharakteristische Leistung zu erbringen ist (vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Aufl. 2007, § 269 Rz. 14). Verträge, deren vertragscharakteristische Leistung nicht die Anwesenheit des Schuldners am Ort der Erfüllung erfordert und nicht an einem bestimmten Ort, sondern überall in Deutschland zu erbringen ist, können von der genannten Rechtsprechung allerdings nicht erfasst sein. Denn Sinn dieser Rechtsprechung ist die Überlegung, dass es zweckmäßig sein kann, wenn die Zahlungsleistung an einem Ort erf...