Leitsatz (amtlich)
1. Für Streitigkeiten über Ansprüche auf Nutzungsvergütung aus § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB des aus der Ehewohnung "freiwillig" ausziehenden Ehegatten ist das FamG zuständig.
2. Zur ausnahmsweisen Nichtbindung von Verweisungsbeschlüssen (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) wegen unzureichender Begründung des Verweisungsbeschlusses und eindeutiger Zuständigkeit des verweisenden Gerichts.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg |
Tenor
Das AG Tempelhof-Kreuzberg wird als das sachlich zuständige Gericht bestimmt.
Gründe
I. Die Parteien sind Eheleute. Im Dezember 2005 zog der Antragsteller aus der gemeinsamen Ehewohnung aus; die Antragsgegnerin blieb dort wohnen. Versuche, eine Vereinbarung über die künftige Nutzung der Wohnung zu schließen, scheiterten. Der Antragsteller begehrt für die Zeit ab September 2006 Zahlung von Nutzungsentgelt sowie die Übernahme der Bewirtschaftungskosten durch die Antragsgegnerin. Das mit der Sache zunächst befasste AG Tempelhof-Kreuzberg - FamG - erklärte sich nach richterlichem Hinweis auf Antrag des Antragstellers und mit Zustimmung der Antragsgegnerin für unzuständig und verwies die Sache an das LG Berlin. In den Gründen des Verweisungsbeschlusses bezog es sich auf die Entscheidung des BGH vom 13.7.1988 (Az. IVb ARZ 35/88) und führte aus: "ob es sich um ein Verfahren über die Regelung der Ehewohnung handelt, ist davon abhängig, ob ein Antrag nach der HausratsVO gestellt worden ist". Ferner nahm es Bezug auf eine Entscheidung des AG Ludwigslust (FamRZ 2005, 728 f.). Das LG lehnte die Übernahme der Sache ab und ist der Auffassung, die Angelegenheit sei im Hinblick auf § 1361b BGB Familiensache, und zwar unabhängig davon, ob ein Antrag nach der HausratsVO gestellt wurde.
II.1. Das KG ist gem. §§ 36 Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 2, 621a Abs. 1 Satz 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Gerichtes berufen.
2. Das AG Tempelhof-Kreuzberg - Familienabteilung - ist nach § 621 I Nr. 7 ZPO, §§ 11, 18a HausratsVO zuständig. Denn der Antragsteller macht den in § 18a HausratsVO genannten Anspruch aus § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB geltend. Einer Bezugnahme des Antragstellers auf die HausratsVO oder gar der Stellung eines Antrags nach der HausratsVO bedarf es weder nach § 18a HausratsVO noch nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB. Soweit sich das AG Tempelhof Kreuzberg auf die Entscheidung des BGH vom 13.7.1988 (Az. IVb ARZ 35/88) bezieht, verkennt es, dass es in dem vom BGH entschiedenen Fall gerade nicht um Ansprüche unter getrenntlebenden Ehegatten ging, sondern um Nutzungsrechte der Ehefrau gegenüber einem Dritten, der die Wohnung von dem Ehemann erworben hatte.
Zwar hat das KG - Familiensenat - in der Vergangenheit die Auffassung vertreten, dass im Falle des freiwilligen Auszuges des nutzungsersatzfordernden Ehegatten diesem Ansprüche nicht aus § 1361b BGB a.F. zustünden, sondern allenfalls aus § 745 BGB, mit der Folge, dass nicht das FamG, sondern das allgemeine Prozessgericht zuständig sei (FamRZ 2001, 368; ebenso AG Ludwigslust, a.a.O.). Diese Auffassung, die - soweit ersichtlich - schon seinerzeit in der obergerichtlichen Rechtsprechung keine Gefolgschaft gefunden hatte, ist jedenfalls durch die gegenteilige Entscheidung des BGH in MDR 2006, 1236 überholt. Erst recht muss dies seit der Neufassung des § 1361b BGB (durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001) gelten, nach dessen Wortlaut es - anders als bei § 1361b BGB a.F. - auf die Frage des Grundes für den Auszug des anspruchstellenden Ehegatten nicht mehr ankommt (ebenso die einhellige Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung: OLG Brandenburg FamRZ 2006, 1392; OLG Jena NJW 2006, 703; OLG Dresden NJW 2005, 3151; zustimmend Brudermüller in Palandt, BGB, 66. Aufl. 2007, § 1361b Rz. 26). Soweit das KG - Familiensenat - in FamRZ 2007, 908 an seiner differenzierenden Auffassung für denjenigen Fall festhalten will, dass die Parteien nach dem Auszug des anspruchstellenden Ehegatten eine ausdrückliche endgültige Nutzungsvereinbarung über die Wohnung geschlossen haben, kann vorliegend dahinstehen, ob dem zu folgen ist. Denn die Parteien haben eine solche Vereinbarung nicht getroffen.
3. Das AG Tempelhof-Kreuzberg hat seine örtliche Zuständigkeit nicht nach § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO dadurch verloren, dass es den Rechtsstreit an das LG Berlin verwiesen hat.
a) Nach § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO bewirkt der Verweisungsbeschluss im Grundsatz bindend die Unzuständigkeit des verweisenden Gerichtes und die Zuständigkeit des Gerichtes, an das verwiesen wird. Jedoch ist anerkannt, dass die Bindungswirkung ausnahmsweise dann entfällt, wenn die Verweisung auf Willkür beruht (vgl. nur BGH NJW 2003, 3201 [3201]; Greger in Zöller, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 281 Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist Willkür nicht allein deshalb anzunehmen, weil die Frage der Zuständigkeit - aus Sicht des nach § 36 Abs. 1 ZPO zur Entscheidung berufenen, höheren Gerichtes oder aus Sicht der herrschenden Meinung in der Rechtsprechung - unzutreffend beantwortet wurde. Die Grenze zwischen der fehlerhaften, gleichwo...