Leitsatz (amtlich)
1. Ein Betroffener, der ein Fahrzeug mit rotem Kennzeichen zu anderen als in § 16 genannten Zwecken auf öffentlichem Straßenland steuert, führt ein Fahrzeug ohne Zulassung nach § 3 Abs. 1 FZV.
2. An die Prüfung und die Anerkennung der Notwendigkeit eines anderen als in § 16 genannten Zweckes sind hohe Maßstäbe anzulegen, die das (spontane) Verlangen nach Essen ohne weitere Feststellungen jedenfalls nicht erfüllt. Dabei handelt es sich um eine zweckfremde Unterbrechung.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 29.06.2020; Aktenzeichen 306 OWi 56/20) |
Tenor
Auf Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 29. Juni 2020 zugelassen.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seiner Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den mehrfach verkehrsrechtlich vorbelasteten Betroffenen am 29. Juni 2020 wegen des Verstoßes gegen die Notwendigkeit der Zulassung von Kraftfahrzeugen in Tateinheit mit Parken im absoluten Halteverbot zu einer Geldbuße von 200 Euro verurteilt.
Das Gericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Betroffene fuhr am 26.6.2019 um 18.15 Uhr mit dem PKW, das - wie ihm bewusst war - lediglich über das rote Kurzzeitkennzeichen B -xxx verfügte, zu einem Restaurant in der H.-straß in B., weil er sich dort etwas zu essen holen wollte bzw. dort etwas essen wollte. Er stellte das Fahrzeug an der genannten Anschrift im absoluten Halteverbot ab und begab sich ins Restaurant.
Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Gericht weiter aus:
Bei der Fahrt zum Restaurant handelte es sich - unabhängig davon, ob der Betroffene sich dort Essen holen wollte oder ob er das Essen dort verzehren wollte - nicht um eine privilegierte Fahrt nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV und damit um ein Inbetriebnehmen ohne die erforderliche Zulassung. Dies gilt ... auch dann, wenn sich der Betroffene - was nicht zu widerlegen ist - eigentlich auf einer Probefahrt war. In diesem Fall hätte er das Fahrzeug zunächst zum Autohandel zurückbringen müssen.
Das Gericht führt dann weiter sinngemäß aus, dass der vom Betroffenen genannte Grund für die Unterbrechung der Probefahrt - Essen holen oder Essen gehen - nicht im Zusammenhang mit einem nach § 16 Abs. 1 Satz 2 FZV anerkannten Fahrzweck stehe. Es sich daher auch nach dieser Sachlage nicht um eine privilegierte Fahrt nach § 16 FZV gehandelt habe.
Der Betroffene hat gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel eingelegt und einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts gestellt. Er trägt im Wesentlichen vor, dass es sich lediglich um eine Unterbrechung der Probefahrt gehandelt habe, die den Charakter der Fahrt nicht in Frage gestellt habe.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Zuschrift vom 24. August 2020 die Verwerfung des Antrages auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes beantragt. Auch habe das Oberlandesgericht Düsseldorf die Rechtsfrage bereits entschieden (vgl. OLG Düsseldorf NJW 2011, 3176).
II.
1. Auf den zulässigen Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde zugelassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG).
Eine Rechtsbeschwerde kann zur Fortbildung des Rechts dann zugelassen werden, wenn der Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen (BGHSt 24, 15; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01. Juli 2019 - 2 Ss-OWi 1077/18 -, juris; OLG Bamberg DAR 2011, 212; OLG Hamm VRS 56, 42).
Das ist vorliegend der Fall.
Die Rechtsfrage, ob die Unterbrechung einer innerörtlichen Probefahrt die Privilegierung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV entfallen lässt, ist entscheidungserheblich, weil das Amtsgericht die Darstellung des Betroffenen, er habe die Probefahrt im Stadtgebiet zwecks Aufnahme oder Abholens von Essen unterbrochen, für unwiderlegbar gehalten und dem Betroffenen aufgrund der zweckfremden Unterbrechung die Privilegierung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV versagt hat. Die Rechtsfrage ist abstraktionsfähig und nicht nur eine Frage des Einzelfalls. Sie ist auch klärungsbedürftig, wobei es nicht - wie der Verteidiger meint - darauf ankommt, dass sich der Senat zu dieser Frage noch nicht geäußert hat, sondern ob die Frage bereits obergerichtlich entschieden worden ist.
Zwar hat sich das Oberlandesgericht Düsseldorf zu Fahrten mit einem roten Kurzzeitkennzeichen die einem anderen Zweck verfolgten, geäußert und entschieden, dass die Privilegierung entfällt, wenn die Fahrt mit einem roten Kurzzeitkennzeichen nicht einem in § 16 FZV genannten Zweck gedient hat. Im dortigen Fall war der Betroffene mit einem mit einem roten Kennzeichen versehenen Fahrzeug zu einem Kino gefahren. Der ausschließliche Zweck der Fahrt diente dem Kinobesuch. Von dieser Konstellation weicht der vorliegende Fall, bei dem es um die Klärung geht, ob auch eine Unterbrechung einer innerstädtischen Probefahrt die Vergünstigung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV en...