Entscheidungsstichwort (Thema)
Mehrheitsbeschluß über bauliche Veränderungen. Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
1) Ob die Wohnungseigentümerversammlung über eine die Allstimmigkeit erfordernde bauliche Veränderung einen nur bei rechtzeitiger Anfechtung ungültigen Mehrheitbeschluß (BGHZ 54, 65) gefaßt hat oder ob eine rechtlich folgenlose Probeabstimmung zur Erforschung des Meinungsbildes vorliegt, hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Vorgaben des Versammlungsleiters der Abstimmungsvorgang veranstaltet worden ist.
2) Falls der Versammlungsleiter zu einem Tagesordnungspunkt zwar vorweg die allstimmige Annahme als Voraussetzung des Zustandekommens festlegt, jedoch im Widerspruch dazu später die Annahme eines Mehrheitsbeschlusses verkündet, so kann die Ungültigkeit nur durch rechtzeitige gerichtliche Anfechtung geltend gemacht werden.
Normenkette
WEG §§ 22-23, 25
Beteiligte
ferner die in dem angefochtenen Beschluß des Landgerichts Berlin vom 21. August 1991 – 150 T 57/90 – namentlich aufgeführten Beteiligten zu 2. bis 41 |
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II 402/89) |
LG Berlin (Aktenzeichen 150 T 57/90) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu befinden hat.
Außergerichtliche Kosten III. Instanz sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird auf 2.500,– DM festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin erteilte der Verwalterin Vollmacht, in der Eigentümerversammlung vom 31. Mai 1989 zu dem vorgesehenen Tagesordnungspunkt 4): „Aufstellung eines Gerätehäuschens, eventuell an der Stirnwand Haus 8 d” mit ‚nein’ zu stimmen. In dem der Antragstellerin später übergebenen Protokoll der Eigentümerversammlung heißt es betreffend TOP 4):
„Antrag: Zu einem Kostenumfang von ca. DM 2.500,– wird in Absprache mit dem Verwaltungsbeirat ein Gerätehaus gekauft und an der Stirnwand des Hauses 8 d aufgestellt. Als Fundament werden voraussichtlich Platten verwendet.
Abstimmung: … 19 Ja-Stimmen, 10 Gegenstimmen, keine Enthaltungen.
Ergebnis: … Antrag angenommen.
Protokoll-… Notiz … vor Beschlußfassung Verwaltung auf die notwendige einstimmige Beschlußfassung hingewiesen.”
Mit ihrem am 26. Oktober 1989 eingegangenen Anfechtungsantrag hat die Antragstellerin die Feststellung der Unwirksamkeit des Eigentümerbeschlusses begehrt. Durch Beschluß vom 26. Februar 1990 hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen. Durch Beschluß vom 21. August 1991 hat das Landgericht die Erstbeschwerde sowie einen Wiedereinsetzungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Das hiergegen gerichtete Rechtsmittel führt zur Zurückverweisung.
Die gem. §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht rechtsfehlerfrei (§ 27 Abs. 1 FGG).
Das Landgericht hat ausgeführt: Der Wohnungseigentümerbeschluß sei nicht nichtig, weil der Beschluß über den Kauf und die Aufstellung eines Gerätehäuschens nicht gegen eine Vorschrift verstoße, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden könne. Der Eigentümerbeschluß hätte angefochten werden müssen. Nach den Erklärungen einiger Wohnungseigentümer in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht habe in der Versammlung vom 31. Mai 1989 keine Einigkeit darüber bestanden, daß nur ein einstimmig gefaßter Beschluß Gültigkeit haben solle. Das im Termin vom 21. August 1991 angebrachte Wiedereinsetzungsgesuch der Antragstellerin sei verspätet.
Rechtlich einwandfrei geht das Landgericht davon aus, daß die Entscheidung über die Anschaffung und Aufstellung des Gerätehäuschens eine bauliche Veränderung betrifft und demnach gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedurft hätte. Ohne Rechtsirrtum ist auch der Ausgangspunkt des angefochtenen Beschlusses, daß ein entgegen § 22 Abs. 1 Satz 1 WEG gefaßter Mehrheitsbeschluß nur dann unwirksam ist, wenn er auf einen binnen eines Monats seit der Beschlußfassung gestellten Antrag hin für ungültig erklärt wird (BGHZ 54, 65 = NJW 1970, 1316) und eine Wiedereinsetzung bezüglich der Beschlußanfechtungsfrist an sich zulässig ist (BGH a.a.O.). Zutreffend ferner meint das Landgericht auch Wiedereinsetzungsgründe. Nicht genügend aufgeklärt ist hingegen, ob ein Mehrheitsbeschluß in der Versammlung zustande gekommen ist.
Soweit das Landgericht aus dem Protokollinhalt in Verbindung mit den Erklärungen einiger Wohnungseigentümer in der Verhandlung vor dem Amtsgericht herleitet, daß ein Mehrheitsbeschluß zustande gekommen ist, ist dies aus Rechtsgründen zu beanstanden, weil der objektive Protokollinhalt widersprüchlich ist und auch die erwähnten Erläuterungen einiger Wohnungseigentümer noch keine eindeutige Festlegung erlauben, ob ein Mehrheitsbeschluß zustande gekommen ist.
Die in § 24 Abs. 6 WEG vorgesehene Niederschrift über in der Eigenversammlung gefaßten Beschlüsse hat ausschließlich die Bedeutung eines Beweismittels (Weitnauer, ...