Leitsatz (amtlich)
1. Es ist grundsätzlich allein Sache des umgangsberechtigten Elternteils über den Ort des Ferienumgangs mit den gemeinsamen Kindern und die Art der Ferien zu entscheiden.
2. a) Bei der Entscheidung darüber, ob das gemeinsame Kind in den Ferien eine Fernreise unternimmt, handelt es sich nicht um eine Entscheidung von besonderer Bedeutung, für die der umgangsberechtigte Elternteil nach § 1687 Abs. 1 Satz 1 BGB die Zustimmung des anderen Elternteils benötigen würde.
b) Anderes gilt nur, wenn der beabsichtigten (Urlaubs-) Reise das Kindeswohl elementar - im Sinne von § 1666 BGB - entgegensteht, weil die Urlaubsreise in politische Krisengebiete führen soll; im Zielgebiet Krieg, Bürgerkrieg oder kriegerische Unruhe herrschen; eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt oder dem Kind im Zielgebiet nicht beherrschbare, außergewöhnliche gesundheitliche Risiken drohen.
3. Es stellt eine zum Schadensersatz verpflichtende, vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar, wenn der Obhutselternteil, der seine ursprünglich erteilte Zustimmung zu einer Ferienreise des gemeinsamen Kindes mit den umgangsberechtigten Elternteil widerrufen hat und der von der zuständigen Familienrichterin über die Unrichtigkeit der eigenen Rechtsauffassung und darüber belehrt wurde, dass die unmittelbar bevorstehende Abreise des Kindes in den Urlaub familiengerichtlich nicht untersagt werden könne, sich gleichwohl, ohne die erlangte richterliche Belehrung zu erwähnen, an die Bundespolizei am Flughafen wendet und unter Beharrung auf die eigene, unzutreffende Rechtsauffassung es erreicht, dass die Polizei den Abflug des Kindes in die Ferien unterbindet.
4. Selbst in Eilfällen ist eine von der Rechtsauffassung des Familiengerichts abweichende Beurteilung des Kindeswohls durch den Obhutselternteil nicht geeignet, eine einseitige Abkehr von der familiengerichtlichen Umgangsregelung zu rechtfertigen, sondern es ist Sache des Obhutselternteils, ggf. eine familiengerichtliche Eilentscheidung herbeizuführen, wenn er der Meinung sein sollte, aufgrund von neu eingetretenen Entwicklungen sei die getroffene Umgangsregelung abzuändern.
5. Nur mit Einschränkungen zu ersetzende "frustrierte" oder fehlgeschlagene Aufwendungen für einen vom umgangsberechtigten Elternteil für seine Umgangszeit gebuchten Flug mit dem gemeinsamen Kind in ein Ferienressort, der durch das Handeln des Obhutselternteils vereitelt wird, liegen nicht vor, wenn der umgangsberechtigte Elternteil nach dem Pflichtverstoß des Obhutselternteils für den ursprünglich von ihm gebuchten Flug einen Ersatzflug bucht; bei den Kosten für den Ersatzflug handelt es sich vielmehr um eine kausale Folge des Pflichtverstoßes.
6. Wenn der Obhutselternteil, der durch sein Tun den Antritt des vom umgangsberechtigten Elternteil gebuchten Fluges mit dem gemeinsamen Kind in den Urlaub vereitelt, wußte, dass der umgangsberechtigte Elternteil die Ferienreise als "Familienurlaub" mit dem gemeinsamen Kind und seiner Ehefrau und deren Kind geplant hat, dann umfasst der vom Obhutselternteil geschuldete Schadensersatz nicht nur die Kosten für den für das gemeinsame Kind gebuchten Ersatzflug, sondern auch die Kosten für die Ersatzflüge des umgangsberechtigten Elternteil und dessen Ehefrau sowie deren Kind, soweit diese den ursprünglichen Flug im Hinblick auf die dem gemeinsamen Kind verwehrte Ausreise nicht angetreten haben.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Aktenzeichen 163 F 4538/17) |
Tenor
Auf die jeweiligen Beschwerden von Antragsteller und Antragsgegnerin wird der am 12. April 2018 verkündete Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg - 163 F 4538/17 - unter gleichzeitiger Zurückweisung der jeweiligen weitergehenden Rechtsmittel geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, an den Antragsteller 5.062,53 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 16. August 2016 zu zahlen. Die weitergehenden Anträge werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller zu 45% und die Antragsgegnerin zu 55%.
Der Beschwerdewert wird auf 9.251,04 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, die geschiedenen Eltern der beiden gemeinsamen, minderjährigen Kinder V ... und P ..., wenden sich mit ihren jeweiligen Rechtsmitteln gegen den Beschluss des Familiengerichts, mit dem dieses dem Antragsteller teilweise Schadensersatz aufgrund einer Umgangsvereitelung zuerkannt und dessen weitergehenden Schadensersatzantrag einschließlich seines Antrages auf Erstattung eines von ihm für V ... gezahlten unterhaltsrechtlichen Mehrbedarfs zurückgewiesen hat. Der Antragsteller verfolgt seine ursprünglichen Anträge weiter und fordert weitergehenden Schadensersatz sowie Erstattung einer Überzahlung, während die Antragsgegnerin sich gegen die Entscheidung wendet und die vollständige Zurückweisung des antragstellerischen Begehrens fordert.
Die Beteiligten haben am 31. März 2014 (Amtsgericht ...