Leitsatz (amtlich)
1. Der Beschwerdewert bei einer Streitwertbeschwerde im Rahmen des § 33 RVG richtet sich nach der Differenz der Kosten, um die sich der Beschwerdeführer verbessern will, nicht nach der Differenz zwischen dem festgesetzten und dem gewünschten Gegenstandswert.
2. Tritt ein Verfahrensbevollmächtigter im Prozesskostenhilfeverfahren ausschließlich im Rahmen eines Entpflichtungsverfahrens auf und stellt einen Entpflichtungsantrag, so ist der Gegenstandswert nicht nach dem Wert der Hauptsache zu bemessen. Vielmehr bestimmt sich das Kosteninteresse nach billigem Ermessen, hier nach dem voraussichtlichen Wert der Anwaltsgebühren in dieser Instanz.
Normenkette
RVG § 23a Abs. 1, §§ 33, 49
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 16.03.2021; Aktenzeichen 44 O 455/13) |
Tenor
1. Die Beschwerde des ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin Rechtsanwalt Dr. S ... gegen den Beschluss des Landgerichts vom 16. März 2021 wird zurückgewiesen.
2. Der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin Rechtsanwalt Dr. S ... hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Mit Beschluss vom 29. April 2019 hat der Senat - auf die sofortige Beschwerde der Klägerin hin - dieser Prozesskostenhilfe bewilligt, die den im Wege der Teilklage von ihr geltend gemachten Erwerbsschadens wegen unfallbedingter Verletzungsfolgen für die Jahre 2001 bis 2005 in Höhe von 70.000 EUR betrifft, und Rechtsanwalt H ... als Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Dabei ist die Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden.
Mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2020 hat Rechtsanwalt Dr. S ... seine Bevollmächtigung nur für das Entpflichtungsverfahren angezeigt und im Namen der Klägerin u.a. beantragt, die Beiordnung des bisherigen Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt H ... wegen fehlenden Vertrauensverhältnisses aufzuheben und einen von der Klägerin noch zu benennenden Prozessbevollmächtigten beizuordnen. Antragsgemäß hat das Landgericht mit Beschluss vom 04. November 2020 die Beiordnung des bisherigen Prozessbevollmächtigten aufgehoben und Rechtsanwalt P ... für das Klageverfahren beigeordnet.
Daraufhin hat Rechtsanwalt S ... mit Schreiben vom 06. Januar 2021 beantragt, den Gegenstandswert auf 35.000 EUR festzusetzen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass das Eigeninteresse des Antragstellers der Klägerin und nicht die anfallenden PKH-Gebühren maßgeblich seien. Die Klägerin habe ihm gegenüber ihr Interesse mit 70.000 EUR angegeben, wegen der Unsicherheit, ob es tatsächlich zu einem Regress komme, beantrage er Wertfestsetzung auf 35.000 EUR.
Mit Beschluss vom 16. März 2021 hat das Landgericht den Gegenstandswert auf 1.000 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, dass der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte nur im Entpflichtungsverfahren tätig geworden sei. Daher sei das ihn und die Klägerin bindende Kosteninteresse durch § 49 RVG begrenzt, es sei daher auf die Gebühren i.H.v. 447 EUR zzgl. MWST und Auslagen abzustellen.
Gegen diesen Beschluss hat der ehemalige Verfahrensbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 25. März 2021 Beschwerde eingelegt, welcher das Landgericht mit Nichtabhilfebeschluss vom 31. März 2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beschwerde, über die nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch den Einzelrichter zu entscheiden ist, ist gemäß § 33 Absätze 3 und 4 RVG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Auch der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 Euro. Der Beschwerdewert richtet sich nach der Differenz der Kosten, um die sich der Beschwerdeführer verbessern will, nicht nach der Differenz zwischen dem festgesetzten und dem gewünschten Gegenstandswert (KG, Beschluss vom 30. März 2007 - 2 Ws 151/07 Vollz -, juris, Rdn. 5, zum insoweit vergleichbaren § 68 Abs. 1 S. 1 GKG). Bei der Beschwerde eines im Prozesskostenhilfeverfahren beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes ist für die Berechnung des Beschwerdewerts nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG dann auf die reduzierten Gebühren aus § 49 RVG abzustellen, wenn Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt worden ist; wurde dagegen Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlung bewilligt, sind die Regelgebühren maßgebend (Gerold/Schmidt/Mayer, 24. Aufl. 2019, § 33 RVG, Rdn. 14 unter Verweis auf LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Januar 2012 - 1 Ta 290/11, BeckRS 2012, 65982, beck-online). Folgerichtig hat das Landgericht auch hier, wo es nur um Entpflichtung des alten und Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten im Rahmen einer bereits bewilligten Prozesskostenhilfe geht, auf § 49 RVG abgestellt.
Dabei sind gemäß § 60 Absatz 1 Satz 1, 2 RVG die Vergütungssätze des RVG in der bis zum 31. Dezember 2020 geltenden Fassung anzuwenden, da wegen der Antragstellung im Oktober 2020 der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit vor dem Inkrafttreten der Gesetzesänd...