Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass der Stirnbereich des abgelichteten Kraftfahrers durch eine Kappe verdeckt ist, führt nicht dazu, dass das Lichtbild zur Fahreridentifizierung generell ungeeignet ist.
2. Sofern nicht besondere Umstände eine abweichende Wertung veranlassen, kann auf den Erfahrungssatz zurückgegriffen werden, dass jedenfalls bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 40 % von Vorsatz auszugehen ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.03.2019; Aktenzeichen 347 OWi 1314/18) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. März 2019 wird gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 31. Juli 2018 gegen den Betroffenen wegen fahrlässig begangener Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h eine Geldbuße in Höhe von 160 Euro sowie einen Monat Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.
Auf seinen Einspruch hat ihn das Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 5. März 2019 wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße in Höhe von 320 Euro verurteilt, hat ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen und angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft (§ 25 Abs. 2a StVG).
Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat mit Zuschrift vom 28. Mai 2019 beantragt, die Rechtsbeschwerde nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die auf die allgemeine Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils zeigt keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf, der die Aufhebung und Zurückverweisung der Sache gebietet.
1. Die Urteilsgründe tragen die Feststellung der Fahrereigenschaft des Betroffenen.
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Gericht entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung (§ 261 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht (vgl. BGH NJW 1979, 2318). Das Rechtsbeschwerdegericht ist nur in begrenztem Maße befugt, die Überzeugungsbildung des Tatrichters nachzuprüfen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen (BGH NJW 1996, 1420). Die Überprüfung des Rechtsbeschwerdegerichts ist auf die Frage beschränkt, ob dem Tatrichter dabei Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht unter anderem dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder die in den Urteilsgründen niedergelegte Beweiswürdigung lückenhaft oder unklar ist (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 90). Die Schilderung der Beweiswürdigung muss angesichts dessen so beschaffen sein, dass sie dem Rechtsbeschwerdegericht die Überprüfung auf Rechtsfehler ermöglicht (Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 17. Aufl., § 71 Rn. 43).
Ob ein Lichtbild die Feststellung zulässt, dass der Betroffene der abgebildete Fahrzeugführer ist, hat dem folgend allein der Tatrichter zu entscheiden (BGH NJW 1979, 2318). Der freien Beweiswürdigung durch den Tatrichter sind indessen auch hinsichtlich der Identifizierung eines Betroffenen Grenzen gesetzt. So kann sich die Überzeugungsbildung hinsichtlich der Identifizierung durch Vergleich mit dem Erscheinungsbild des in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen anhand eines unscharfen oder das Gesicht des Fahrers nur zu einem geringen Teil abbildenden Fotos als willkürlich erweisen (vgl. BGH NJW 1996, 1420). Die Urteilsgründe müssen vor diesem Hintergrund so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Belegfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (vgl. BGH NJW 1996, 1420). Insoweit reicht die deutlich und zweifelsfrei (BGH NStZ-RR 2016, 178) zum Ausdruck gebrachte Bezugnahme auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG in den Urteilsgründen aus, um dem Rechtsbeschwerdegericht zu ermöglichen, die Abbildung aus eigener Anschauung zu würdigen.
Das Amtsgericht hat diesen Maßstäben entsprechend durch genaue Bez...