Entscheidungsstichwort (Thema)
Erörterung der Zulässigkeit einer Klage mit dem Verfahrensbevollmächtigten einer Partei
Normenkette
RVG-VV Nrn. 3104-3105
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 11.07.2008; Aktenzeichen 83 O 71/07) |
Tenor
In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden die nach dem vollstreckbaren Beschluss des LG Berlin vom 29.5.2008 und dem vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteil des LG Berlin vom 12.2.2008 von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden, in den Anträgen vom 18.2.2008 und 22.4.2008 berechneten Kosten auf 1.750,67 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.2.2008 von 1.704,73 EUR sowie seit dem 29.5.2008 von 45,94 EUR festgesetzt.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von bis zu 600 EUR zu tragen.
Gründe
Die zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten hat in der Sache Erfolg. Zu Recht beanstandet der Beklagte, dass die Rechtspflegerin bei der Kostenfestsetzung statt der geltend gemachten 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV lediglich eine 0,5-Terminsgebühr nach Nr. 3105 RVG-VV in Ansatz gebracht hat. Nach der Rechtsprechung des BGH entsteht eine volle 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV auch dann, wenn in einem Termin zur mündlichen Verhandlung zwar die Gegenseite nicht erschienen oder nicht ordnungsgemäß vertreten ist, der Rechtsanwalt der erschienenen Partei aber über den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils hinaus weitere Tätigkeiten entfaltet, insbesondere mit dem Gericht die Sach- und Rechtslage erörtert (BGH NJW 2007, 1692 = BGHReport 2007, 530 f.). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann nicht nur eine Erörterung der Zulässigkeit der Klage, also der materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen eine volle Terminsgebühr nach Nr. 3104 RVG-VV auslösen, sondern auch eine Erörterung der Zulässigkeit der Klage (vgl. Bischoff RVG Kompaktkommentar VV 3105 Rz. 24). Es sind keine sachlichen Gründe ersichtlich, warum eine Erörterung von Zulässigkeitsfragen kostenrechtlich anders behandelt werden sollte, als eine Erörterung der Schlüssigkeit einer Klage. Dies gilt namentlich für den hier vorliegenden Fall einer Säumnis des Klägers, für den es dem Beklagten obliegt, bei bestehenden Zweifeln an den von Amts wegen zu prüfenden Sachurteilsvoraussetzungen diese zu beweisen (vgl. Musielak/Stadler, ZPO, 6. Aufl., § 330 Rz. 2 m.w.N.). Hierbei handelt es sich der Sache nach um eine Verhandlung zur Hauptsache (Musielak/Stadler, a.a.O., Rz. 2 m.w.N.). Die Erörterung der Frage der örtlichen Zuständigkeit beschränkt sich auch nicht allein auf Fragen der Prozess- oder Sachleitung. Wäre es dem Beklagtenvertreter im Termin vom 12.2.2008 nicht gelungen, die Zweifel des LG an seiner örtlichen Zuständigkeit auszuräumen, so hätte das LG die Klage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1986, 1041) nicht durch Sachurteil aufgrund der Säumnis der Klägerin, sondern durch kontradiktorisches Urteil als unzulässig abweisen müssen. Ein solches Urteil würde sich sowohl hinsichtlich des zulässigen Rechtsbehelfs als auch hinsichtlich seiner Rechtskraft von einem Klage abweisenden Versäumnisurteil unterscheiden. Mithin erhöhen sich die dem Beklagten zu erstattenden Gebühren, ausgehend von dem vom LG festgesetzten Betrag i.H.v. 1.312,51 EUR um 438,16 EUR (0,75-Gebühr bei einem Wert von 10.838,56 EUR zzgl. 19 % Mehrwertsteuer) auf 1.750,67 EUR. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2068148 |
JurBüro 2009, 29 |
MDR 2008, 1424 |
AGS 2009, 60 |
RVGreport 2009, 18 |
VRR 2009, 3 |
OLGR-Ost 2009, 37 |