Entscheidungsstichwort (Thema)
Bäckereiverkauf als "Nebenleistung des Gaststättengewerbes"
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Einordnung eines Mischbetriebs als Gaststätte ist es unerheblich, ob nach den konkreten Gegebenheiten die Ausprägung als Einzelhandel oder Gaststätte überwiegt.
2. Dass der Betroffene einen Einzelhandel mit Bäcker- und Konditorwaren, der sich in Bezug auf die Öffnungszeiten nach dem BerlLadÖffG richtet, betreibt, steht der Anwendung des Gaststättenrechts nicht entgegen. Der Einzelhandel unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen des Ladenschlussgesetzes, die Schank- oder Speisewirtschaft jenen des Gaststättenrechts (Anschluss an BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - I ZR 44/19).
3. Dies hat zur Folge, dass nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG im Betrieb verabreichte "zubereitete Speisen" zum "alsbaldigen Verzehr" als sog. Nebenleistung des Gaststättengewerbes außerhalb der nach § 18 GastG landesrechtlich verordneten Sperrzeiten und ohne Bindung an die gesetzlichen Bestimmungen über den Ladenschluss "an jedermann über die Straße abgegeben" werden dürfen.
4. Bienenstich und Berliner Pfannkuchen ("Berliner") sind bei Zugrundelegung neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - I ZR 44/19) "zubereitete Speisen" im Sinne des Gaststättenrechts.
Normenkette
GaststG § 7 Abs. 2 Nr. 1; BerlLadÖffG § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 14.05.2019; Aktenzeichen 326 OWi 342/18) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. Mai 2019 aufgehoben. Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen zweier vorsätzlich begangener Verstöße gegen §§ 4 Abs.1 Nr. 3, 9 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 BerlLadÖffG zu zwei Geldbußen von jeweils 2000 € verurteilt. Es war davon überzeugt, dass es der Betroffene als Inhaber einer unter seinem Namen firmierenden Bäckereikette in einer Filiale in der S-Straße in Berlin-S. zugelassen und veranlasst hat, dass am 2. April 2018 (Ostermontag) und am 21. Mai 2018 (Pfingstmontag) Backwaren und Konditorartikel außer Haus verkauft wurden, u.a. ein Bienenstich und zwei Berliner Pfannkuchen. Bei der Filiale handelte es sich um ein Bäckereigeschäft mit erlaubnisfreiem Gaststättenbetrieb; hier wurden nach den Feststellungen des Amtsgerichts auch Back- und Konditorwaren sowie alkoholfreie Getränke serviert.
Der Betroffene wendet sich mit der auf die allgemeine Sachrüge gestützten Rechtsbeschwerde gegen das Urteil. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
Der Betroffene hat sich, als er anordnete, dass an Oster- und Pfingstmontag Back- und Konditorwaren außer Haus verkauft werden, nicht ordnungswidrig verhalten. Die Verkäufe waren nach den Vorschriften des Gaststättengesetzes über den Straßenverkauf von Speisewirtschaften erlaubt. Das Verbot, an Ostermontag und Pfingstmontag Verkaufsstellen für Back- und Konditorwaren zu öffnen (§ 4 Abs. 3 BerlLadÖffG), galt zwar im Grundsatz auch für die Filiale des Betroffenen. Da er hier aber auch ein Gaststättengewerbe nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GastG betrieb, durften Backwaren als zubereitete Speisen als sog. Nebenleistung des Gaststättengewerbes nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 GastG "an jedermann über die Straße abgegeben" werden.
1. Der Betroffene betrieb in der S-Straße eine dem GastG unterfallende Schank- und Speisewirtschaft.
a) Ein Gaststättengewerbe im Sinne des GastG betreibt, wer im stehenden Gewerbe Getränke oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht, wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 GastG). Das Tatbestandsmerkmal des Verzehrs an Ort und Stelle erfordert einen räumlichen Zusammenhang zwischen der Abgabestelle und dem Ort, an dem das Getränk oder die Speise verzehrt werden soll, sowie einen zeitlichen Zusammenhang zwischen Abgabe- und Verzehrzeitpunkt (vgl. BGH, Urteil vom 17. Oktober 2019 - I ZR 44/19 - mwN). Das Vorhalten von Sitzgelegenheiten spricht für einen Verzehr an Ort und Stelle, der vom Verzehr im Weitergehen abzugrenzen ist (vgl. Hickel/Wiedmann/Hetzel, Gewerbe- und Gaststättenrecht 139. Lieferung, § 1 GastG Rn. 10).
Nach diesen Maßstäben stellt sich das vom Betroffenen in der S-Straße betriebene Gewerbe in Bezug auf die Abgabe von Speisen und Getränken, die zum Verzehr in oder vor der Filiale bestimmt sind, als Gaststätte dar. Die Filiale hatte innen und außen Sitzgelegenheiten, auf denen im Geschäft erworbene Getränke und Speisen konsumiert wurden. Die Filiale verfügte auch über eine Gästetoilette.
b) Die damit betriebene Schank- oder Speisewirtschaft unterfiel dem GastG. Zwar betreibt der Betroffene im Rahmen eines gemischten Betriebs auch einen Einzelhandel mit Bäcker- und Konditorwaren, der sich in Bezug auf die Öffnungszeiten nach dem LadÖffG richtet. Dies steht der Anwendung des Gaststättenrec...