Leitsatz (amtlich)
Ererbte Schmerzensgeldansprüche nach einem Elternteil können eine persönliche Angelegenheit iSd §1360 a Abs. 4 BGB analog darstellen.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 10.01.2018; Aktenzeichen 35 O 301/17) |
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 10.01.2018 zum Aktenzeichen 35 O 301/17 wird dahingehend abgeändert, dass der Antragstellerin Prozesskostenhilfe unter Ratenzahlung von ... bewilligt wird.
Gründe
I. Die 2006 geborene minderjährige Antragstellerin lebt im Haushalt ihres Vaters. Sie begehrt Prozesskostenhilfe zur Verfolgung eines Anspruchs aus übergegangenem Recht. Als Erbin ihrer am 20.10.2017 verstorbenen Mutter verfolgt sie deren Schmerzensgeldanspruch wegen behaupteter grober ärztlicher Behandlungsfehler anlässlich einer Wirbelsäulenoperation mit anschließender hypoxischer Hirnschädigung gegenüber dem damals aufgesuchten Krankenhaus.
Durch Beschluss vom 10.01.2018 hat das Landgericht Berlin der Antragstellerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Bezirksrevisorin mit sofortiger Beschwerde vom 24.01.2018. Sie ist der Ansicht, der Kindesvater schulde der Antragstellerin im Rahmen der Unterhaltspflicht analog § 1360 a Abs. 4 BGB Prozesskostenvorschuss für erfolgversprechende Rechtsverfolgung in persönlicher Angelegenheit.
Das Landgericht hat den von der Antragstellerin verfolgten Anspruch dem Bereich der Vermögensverwaltung zugeordnet, folglich der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Kammergericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die nach § 127 Abs. 3 ZPO zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Nach einhelliger Auffassung schulden Eltern ihren minderjährigen Kindern nach § 1360 a Abs. 4 BGB analog Prozesskostenvorschuss für erfolgversprechende Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten.
Um eine solche persönliche Angelegenheit handelt es sich vorliegend.
Die Annahme einer persönlichen Angelegenheit scheidet nicht bereits dann aus, wenn der verfolgte Anspruch einen vermögensrechtlichen Einschlag aufweist. Die im Zivilprozessrecht geltenden Unterscheidung zwischen vermögensrechtlichen und nicht vermögensrechtlichen Ansprüchen ist hier nicht maßgeblich (BGH IV ZR 145/59, Juris Rnr. 17). Zwar ist eine Angelegenheit nicht als persönlich im Sinne des § 1360 a Abs. 4 BGB einzustufen, wenn sie in Wahrnehmung allgemeiner wirtschaftlicher Interessen verfolgt wird und das Ergebnis eines Rechtsstreits sich nur finanziell auf das Verhältnis zwischen Unterhaltspflichtigem und Unterhaltsverpflichteten auswirken würde (so für Ehegatten Mü-Ko/Weber-Monecke, 7. Aufl, § 1360 a BGB Rnr. 26). Setzt sich aber eine Angelegenheit aus persönlichen und vermögensrechtlichen Elementen zusammen, kommt es darauf an, ob die Beziehung der Angelegenheit zum persönlichen Lebensbereich des Berechtigten genügend eng ist und persönliche Beeinträchtigungen im Vordergrund der Rechtsverfolgung stehen (Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 9. Aufl. Rnr. 2623; OLG Köln, Beschl. v. 18.06.1999, 13 W 42/99, juris Rnr. 3). Zu den persönlichen Angelegenheiten im Sinne des § 1360a Abs. 4 BGB analog gehören insbesondere solche Ansprüche, die ihre Wurzel in dem gemeinsamen Lebensbereich des Unterhaltsberechtigten und -verpflichteten haben. Die Angelegenheit muss somit neben dem persönlichen Gewicht für den Unterhaltsberechtigten auch eine genügend enge Verbindung zur Person des Unterhaltsverpflichteten aufzeigen (vgl. insoweit für Ehegatten: BGHZ 31, 384, 385 ff; 41, 104, 111 f; OLG Köln, Beschluss vom 26. April 1989 - 2 W 60/89 -, Rn. 3, juris).
Danach führt die hier gegebene Konstellation zur Qualifikation des Rechtsstreits als Rechtsverfolgung in persönlicher Angelegenheit:
Das Klagebegehren betrifft die jetzt 11-jährige Antragstellerin in hohem Maße persönlich. Sie behauptet, ihre gesunde, berufstätige, lebenslustige und sportliche Mutter (vgl. S. 15 der Antragsschrift) habe nach einer Behandlung bei der Beklagten im Juli 2014 - d.h. als die Antragstellerin 7 Jahre alt war - innerhalb kürzester Zeit schwerste körperliche und psychische Schäden erlitten. Die Mutter habe bis zu ihrem Tod unter Wahnvorstellungen gelitten, sich mit Suizidgedanken getragen, Pflegestufe 2 bezogen und sei vollständig auf Hilfe von außen angewiesen gewesen. Das geltend gemachte Schmerzensgeld aus abgetretenem Recht wird u.a. mit der nachhaltigen Zerstörung der Lebensqualität der Mutter begründet und ausdrücklich damit, dass die Sorge für die Tochter nicht mehr habe wahrgenommen werden können, obgleich das Kind die Sorge der Mutter gebraucht habe (S. 15 der Antragsschrift). Damit bestimmt die Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion des begehrten Schmerzensgeldes maßgeblich die Angelegenheit. Es kann offen bleiben, ob die durch den Erziehungsberechtigten vertretene Antragstellerin den Rechtsstreit neben finanziellen Aspekten auch deshalb anstrebt, weil sie sich insoweit ihrer Mutter verpflichtet fühlt oder, weil die Klärung, ob ärztliche Fehler oder ein schicksalhafter Verlauf vorlieg...