Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträglicher Widerruf der Einwilligung in die Reststrafenaussetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Ob der Verurteilte durch eine Entscheidung beschwert ist, bestimmt sich danach, ob die Entscheidung für ihn - objektiv betrachtet - negative rechtliche Folgen hat. Dies ist bei einer die Reststrafenaussetzung ablehnenden Entscheidung der Fall, auch wenn der Verurteilte seine Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB zurückgenommen hat.
2. Der Widerruf der Einwilligung in die Strafaussetzung ist zulässig, solange die Entscheidung über die Strafaussetzung nicht rechtskräftig ist. Er hat zur Folge, dass für eine (positive oder negative) Prognoseentscheidung kein Raum mehr ist und einer bereits ergangenen Entscheidung die Grundlage entzogen wird.
3. Hat das Rechtsmittel gegen die (ursprünglich in der Hauptsache richtige) Entscheidung nur deshalb Erfolg, weil der Beschwerdeführer seine Einwilligung in die Strafaussetzung widerrufen hat, sind ihm nach dem Verursachungsprinzip die Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufzuerlegen.
Normenkette
StGB § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 3; StPO § 467 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 28.08.2018; Aktenzeichen 596 StVK 85/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der im Verfahren 596 StVK 85/18 ergangene Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 28. August 2018 aufgehoben.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Der Verurteilte verbüßte zunächst eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Diebstahls aus einem Urteil des Amtsgerichts Potsdam vom 21. Mai 2013, wobei die Vollstreckung zunächst zur Bewährung ausgesetzt und die Aussetzung später widerrufen wurde. Das Vollstreckungsende war zum 2. September 2018 (TE) notiert; die Freiheitsstrafe ist zwischenzeitlich vollständig vollstreckt (Verfahren 596 StVK 86/18).
Im Anschluss verbüßte der Beschwerdeführer den Rest einer bereits zu zwei Dritteln vollstreckten Gesamtfreiheitsstrafe von ursprünglich drei Jahren und sechs Monaten, die das Amtsgerichts Potsdam am 23. Juni 2014 gegen ihn wegen Hehlerei, Wohnungseinbruchdiebstahls in neun Fällen, versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls, Diebstahls (im besonders schweren Fall) sowie Urkundenfälschung in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz (unerlaubtes Führen einer halbautomatischen Schusswaffe) verhängt hatte. Einbezogen wurde in die besagte Gesamtstrafe eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten wegen Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 31. Oktober 2013. Das Ende der Vollstreckung dieser Strafe ist zum 2. November 2019 (TE) notiert (Verfahren 596 StVK 85/18).
Mit gleichlautenden Beschlüssen vom 28. August 2018 hat die Strafvollstreckungskammer es in beiden Verfahren jeweils abgelehnt, die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung auszusetzen. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 3. September 2018 hat der Verurteilte sofortige Beschwerde eingelegt und zugleich erklärt, er nehme die "Zustimmung i. S. d. § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB" zurück.
II.
1. Der Senat legt das Rechtsmittel dahingehend aus, dass es sich nur gegen den das Urteil vom 23. Juni 2014 betreffenden Beschluss im Verfahren 596 StVK 85/18 wendet. Denn durch die vollständige Vollstreckung der durch das Urteil vom 21. Mai 2013 verhängten Freiheitsstrafe ist die im Verfahren 596 StVK 86/18 ergangene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer verfahrensrechtlich überholt. Es ist davon auszugehen, dass der Verteidiger kein von vornherein unzulässiges Rechtsmittel (Senat, Beschluss vom 30. Juli 2018 - 5 Ws 118-119/18 -; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., vor § 296 Rdn. 17; jeweils m. w. N.) erheben wollte - zumal er in der Beschwerdeschrift auch nur das Geschäftszeichen 596 StVK 85/18 benannt hat.
2. Die statthafte (§ 454 Abs. 3 Satz 1 StPO) und rechtzeitig erhobene (§ 311 Abs. 2 StPO) sofortige Beschwerde ist zulässig.
Der sofortigen Beschwerde fehlt es insbesondere nicht an der (ungeschriebenen) Zulässigkeitsvoraussetzung einer Beschwer. Ob ein Beschwerdeführer durch eine Entscheidung beschwert ist, bestimmt sich danach, ob die Entscheidung für ihn - objektiv betrachtet - negative rechtliche Folgen hat. Dies ist der Fall, weil nach der angefochtenen Entscheidung die für den Verurteilten rechtlich nachteilige Strafvollstreckung fortzusetzen ist. Dass der Verurteilte mit der ablehnenden Entscheidung - wie die Rücknahme seiner Einwilligung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB nahelegt - gleichwohl einverstanden ist, hat demgegenüber keine Bedeutung (OLG Celle, Beschluss vom 23. Juni 2017 - 1 Ws 68/17 -, juris Rdn. 10, m. w. N.).
3. Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Durch die wirksame Rücknahme seiner Zustimmung dazu, vorzeitig entlassen zu werden, hat der Verurteilte dem angefochtenen Beschluss die Grundlage entzogen (KG, Beschluss vom 1. März 2010 - 2 Ws 129/10 -). Der Widerruf der ...