Leitsatz (amtlich)
Verweist das Nachlassgericht ein bei ihm anhängig gewordenes Verfahren an das AG Schöneberg, weil der deutsche Erblasser zur Zeit des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt hatte, ist eine Zurück- oder Weiterverweisung aus wichtigem Grund durch das AG Schöneberg grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Das Vorhandensein von Nachlassgegenständen im Bezirk eines Gerichts kann ein sachlicher Anknüpfungspunkt für die Verweisung aus wichtigem Grund sein.
Normenkette
FamFG §§ 4-5, 343
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 03.12.2013) |
Tenor
Das Erbscheinsverfahren ist von dem AG Tempelhof-Kreuzberg zu führen.
Gründe
Das KG ist gem. § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, 4, 343 Abs. 2 S. 2 FamFG zur Entscheidung des zwischen den AG Schöneberg und Tempelhof-Kreuzberg bestehenden Streits über die örtliche Zuständigkeit berufen, weil das AG Schöneberg das Verfahren aus wichtigem Grund verwiesen hat. Beide Gerichte gehören zum Bezirk des im Rechtsmittelzug übergeordneten KG, vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG.
Als örtlich zuständiges Gericht ist das AG Tempelhof-Kreuzberg zu bestimmen. Ursprünglich war das AG Schöneberg örtlich zuständig. Dies folgte aus dem Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 9.10.2013, an den das AG Schöneberg gebunden war, § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG. Das AG Schöneberg hat seine örtliche Zuständigkeit auch erkannt, sodann aber von seiner Befugnis gem. § 343 Abs. 2 S. 2 FamFG Gebrauch gemacht und die Bearbeitung der Sache dem AG Tempelhof-Kreuzberg übertragen. Danach ist nunmehr - wiederum - das AG Tempelhof-Kreuzberg örtlich zuständig.
Der Verweisungsbeschluss vom 13.11.2013 ist ebenfalls gem. § 3 Abs. 3 S. 2 FamFG für das AG Tempelhof-Kreuzberg bindend; die Vorschrift gilt auch für die Verweisung aus wichtigen Gründen (vgl. BT-Drucks. 16/6308, 277; Zimmermann, in: Keidel, a.a.O., § 343 Rz. 67). Eine Bindung tritt nur dann nicht ein, wenn es dem Beschluss an jeder rechtlichen Grundlage fehlt, so dass er objektiv willkürlich erscheint (vgl. BT-Drucks. 16/6308, 175; Zimmermann, a.a.O.). Das ist hier nicht der Fall.
Einer (Weiter-)Verweisung des Verfahrens stand der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 9.10.2013 nicht entgegen. Zwar scheidet für das in einem Verweisungsbeschluss als zuständig bezeichnete Gericht regelmäig eine Weiter- oder Zurückverweisung aus. Dies gilt aber nur insoweit das verweisende Gericht überhaupt eine Entscheidung getroffen hat (vgl. KG, Beschl. v. 24.3.1999 - 28 AR 28/99 -, juris). Der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg verhält sich lediglich zur örtlichen Zuständigkeit. An diese Entscheidung ist das AG Schöneberg gebunden, was es auch nicht in Frage gestellt hat. Nichts sagt der Beschluss vom 9.10.2013 aber über die Befugnisse des AG Schöneberg aus, die ihm auf Grund des § 343 Abs. 2 FamFG zustehen. Nach dessen Satz 2 kann es die Sache aus wichtigen Gründen an ein anderes Gericht verweisen. Diese Gründe haben nichts mit der örtlichen Zuständigkeit des AG Schöneberg zu tun, die allein Gegenstand des Beschlusses vom 9.10.2013 war. § 343 Abs. 2 FamFG findet vorliegend auch Anwendung, denn der Erblasser war auch Deutscher und hatte im Zeitpunkt des Erbfalls im Inland weder Wohnsitz noch Aufenthalt. Hierauf bezog sich die Verweisung durch das AG Tempelhof-Kreuzberg.
Der Beschluss des AG Schöneberg vom 13.11.2013 erscheint auch nicht aus anderen Gründen objektiv willkürlich. Vielmehr kann das Vorhandensein von Nachlassgegenständen im Bezirk eines Gerichts ein sachlicher Anknüpfungspunkt sein, was der Gesetzgeber für den Nachlass eines Ausländers ohne Wohnsitz oder Aufenthalt im Inland ausdrücklich geregelt hat, vgl. § 343 Abs. 3 FamFG (vgl. auch OLG Brandenburg, FGPrax 2006, 222). Ob die Auffassung des AG Schöneberg, im Bezirk des AG Tempelhof-Kreuzberg befänden sich wegen eines von dem Erblasser bei einer dortigen Bankfiliale geführten Kontos Nachlassgegenstände, zutreffend ist (vgl. BGH NJW-RR 2008, 172, 173), kann dahinstehen, willkürlich ist die Entscheidung deshalb jedoch nicht (vgl. OLG Düsseldorf, FGPrax 2013, 231).
Fundstellen
Haufe-Index 6465206 |
FamRZ 2014, 1138 |
FuR 2014, 312 |
FGPrax 2014, 137 |
ZEV 2014, 163 |
ZEV 2014, 6 |
Rpfleger 2014, 323 |