Leitsatz (amtlich)
1.
Die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren (Nr. 4130 VV RVG) entsteht nicht erst durch die Revisionsbegründung, sondern bereits durch die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen die - häufig aus Zeitgründen zunächst nur zur Fristwahrung eingelegte - Revision begründet und weiter durchgeführt werden soll.
2.
Wird die Revision nicht begründet und im Einverständnis des Mandanten zurückgenommen, fehlt es zwar an "einer anwaltlichen Kerntätigkeit im Revisionsverfahren", jedoch ohne dass dadurch die bereits entstandene Verfahrensgebühr wieder entfiele.
3.
Zur Prüfung der rechtsmissbräuchlichen Einlegung des Rechtsmittels, bei dem die anwaltliche Tätigkeit nicht vom Verteidigungswillen getragen wird, sondern allein dem Vergütungsinteresse dient.
Normenkette
RVG VV Nr. 4130
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 07.10.2008) |
Tenor
Die Beschwerde der Bezirksrevisorin beim Landgericht Berlin gegen den Beschluß des Landgerichts Berlin vom 7. Oktober 2008 wird verworfen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts hat den Antrag des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt zzz, auf Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen für das Revisionsverfahren abgelehnt. Auf seine Erinnerung hat ihm das Landgericht (Einzelrichter) durch Beschluß vom 7. Oktober 2008 die beantragte Vergütung in Höhe von 624,75 EUR zugesprochen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Bezirksrevisorin, über die der Senat nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG in der Besetzung mit drei Richtern entscheidet, bleibt ohne Erfolg.
1.
Das Landgericht hat dem Pflichtverteidiger die für seine Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels und die Beratung des inhaftierten Angeklagten geltend gemachte Gebühr nach den Nrn. 4130/4131 VV RVG mit Recht zugesprochen. Einer Vergütung des Anwalts steht nicht entgegen, daß er die Revision nicht begründet und noch vor Zustellung des schriftlichen Urteils zurückgenommen hat. Richtig ist zwar, daß für einen Rechtsanwalt, der - wie hier - schon in der Vorinstanz verteidigt hat, mit den dafür verdienten Gebühren auch die Einlegung des Rechtsmittels abgegolten wird ( § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10 RVG). Jedoch entsteht die Gebühr nach den Nrn. 4130/4131 VV RVG nicht erst, wie die Beschwerdeführerin meint, mit der Begründung der Revision. Sie fällt nach dem Willen des Gesetzgebers zwar "insbesondere" für den "Schwerpunkt der anwaltlichen Tätigkeit" im Revisionsverfahren bei der Fertigung der Rechtsmittelbegründung an (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 226). Das bedeutet aber nicht, daß die dieser Tätigkeit vorausgehenden Arbeiten des Verteidigers in der Rechtsmittelinstanz die Gebühr noch nicht auslösen (insoweit mißverständlich der von der Beschwerdeführerin zitierte Beschluß des KG vom 22. Mai 2006 - 3 Ws 224/06 -). Denn mit der Verfahrensgebühr wird jedes "Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information" abgegolten (amtl. Vorbemerkung 4 Abs. 2 VV RVG). Demnach erfaßt die Gebühr der Nrn. 4130/4131 VV RVG nicht erst die Revisionsbegründung, sondern bereits die anwaltliche Prüfung und Beratung, ob und gegebenenfalls mit welchen Anträgen die - häufig aus Zeitgründen zunächst nur zur Fristwahrung eingelegte - Revision begründet und weiter durchgeführt werden soll. Diese prüfende und beratende Tätigkeit des Rechtsanwalts gehört entgegen der Ansicht der Bezirksrevisorin nicht mehr zur Einlegung des Rechtsmittels. Wird die Revision nicht begründet und im Einverständnis des Mandanten zurückgenommen, fehlt es zwar an "einer anwaltlichen Kerntätigkeit im Revisionsverfahren", jedoch ohne daß dadurch die bereits entstandene Verfahrensgebühr wieder entfiele (vgl. KG NStZ 2006, 239).
Daß im Zeitpunkt der vom Verteidiger erbrachten Tätigkeiten das schriftliche Urteil noch nicht vorlag, ist ebenfalls ohne Belang. Die Ansicht der Beschwerdeführerin, eine Überprüfung der Erfolgsaussichten der Revision sei in diesem Verfahrensstadium (noch) nicht möglich gewesen, trifft nicht zu. Richtig ist zwar, daß nach der Rechtsprechung des Senats solche Tätigkeiten nicht zu vergüten sind, die für den Mandanten ohne jeden objektiven Wert und deshalb überflüssig sind (vgl. Beschluß vom 25. Juli 2008 - 1 Ws 263/08 -). Das ist aber regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Revision von einem anderen Verfahrensbeteiligten eingelegt worden und der Verteidiger auf die Begründung des gegnerischen Rechtsmittels angewiesen ist, um für den Angeklagten sinnvoll tätig werden zu können. Hingegen konnte der Verteidiger hier die Erfolgsaussichten des eigenen Rechtsmittels schon anhand der mündlichen Urteilsbegründung einschätzen und den Angeklagten - auch im Hinblick auf die angeordnete Fortdauer der Untersuchungshaft - über die Zweckmäßigkeit und Folgen einer weiteren Durchführung des Revisionsverfahrens zuverlässig beraten. Hinzu kommt, daß die Begründung der Revision nach § 345 Abs. 1 StPO in zulässiger Weise schon bei ihre...