Leitsatz (amtlich)

1. Der in der Gemeinschaftsordnung enthaltene Kostenverteilungsschlüssel gilt auch dann, wenn er grob unbillig ist oder gegen Treu und Glauben verstößt, solange er nicht durch Vereinbarung oder durch Ersetzung der Zustimmung durch Richterspruch abgeändert ist.

2. Selbst wenn ein Anspruch der Gemeinschaft gegen einen Miteigentümer auf Mitwirkung bei der Abänderung eines unbilligen Kostenverteilungsschlüssels besteht, kann er im Verfahren der Beschlussanfechtung nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden.

3. Einem begünstigten Wohnungseigentümer ist es daher selbst bei langjähriger unbeanstandeter Übung oder eigener Verhinderung einer Änderung des Kostenverteilungsschlüssels nicht verwehrt, sich darauf zu berufen, dass der von der Gemeinschaft in einem Mehrheitsbeschluss zugrunde gelegte Schlüssel wegen Abweichung von der Gemeinschaftsordnung nicht gelte.

 

Normenkette

BGB § 242; WoEigG § 16

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 76 II 295/98 (WEG)

LG Berlin (Aktenzeichen 85 T 38/00 (WEG)

 

Tenor

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Erstbeschwerdegegner haben die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen. Außergerichtliche Kosten dritter Instanz werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 33.129,56 DM = 16.938,88 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG, § 22 Abs. 1 FGG zulässig.

Es ist zwar anerkannt, dass ein Anspruch auf Änderung der Gemeinschaftsordnung bestehen kann, wenn außergewöhnliche Umstände ein Festhalten an ihm als grob unbillig und damit gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung kann jedoch grundsätzlich nur im Wege der Vereinbarung erfolgen. Selbst wenn danach ein Mitwirkungsanspruch besteht, kann er im Verfahren der Beschlussanfechtung nicht im Wege der Einrede geltend gemacht werden; denn die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Regelung gilt, solange sie nicht durch eine Vereinbarung oder durch Ersetzung der Zustimmung durch Richterspruch abgeändert ist.

Soweit für den Anspruch auf Änderung des Gründungsaktes der unbillige Verteilungsschlüssel für einen längeren Zeitraum weiter zur Anwendung kommen müsste, ließe sich dem durch die Möglichkeit einer vorläufigen Regelung durch einstweilige Anordnung gem. § 44 Abs. 3 WEG abhelfen (BGH v. 13.7.1995 – V ZB 6/94, MDR 1995, 1112 = ZMR 1995, 483, 485 f. = NJW 1995, 2791).

Entgegen der Ansicht von Armbrüster (GE 2001, 267 ff.) ist einem begünstigten Wohnungseigentümer auch bei den besonderen Umständen, wie der langjährigen unbeanstandeten Übung oder Verhinderung der Änderung durch ihn, nicht die Berufung darauf zu versagen, dass der von den Miteigentümern zugrunde gelegte Schlüssel nicht gelte. Das gebietet die Rechtssicherheit insb. im Interesse des Verwalters, der sich in solchen Streitfällen an rechtskräftigen Entscheidungen oder einstweiligen Anordnungen orientieren können muss.

Nach diesen Grundsätzen hat das LG rechtsfehlerfrei die Beschlussfassungen der Eigentümerversammlung vom 6.7.1998 hinsichtlich der beschlossenen Verteilung der Sonderumlagen zu den Tagesordnungspunkten 13c und 13d für ungültig erklärt, weil sie nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entsprachen. Inhalt dieser Beschlüsse war, dass die Kosten abweichend von dem gem. § 13 Abs. 1 der Teilungserklärung geltenden Kostenverteilungsschlüssel nicht entspr. den Miteigentumsanteilen, sondern nach Quadratmetern Wohnfläche umgelegt werden.

Das gilt in gleicher Weise für die Beschlussfassung der Eigentümerversammlung vom 6.7.1998 zu TOP 4 hinsichtlich der Genehmigung der Verteilung der Betriebskosten in den Einzelabrechnungen 1997 mit Ausnahme der – nicht angefochtenen – Verteilung der Kosten „Heizung/Warmwasser” i.H.v. 3.904,42 DM.

Damit hat das LG zugleich rechtsfehlerfrei angenommen, dass die mit den Gegenanträgen geltend gemachten Zahlungsansprüche auf eine Sonderumlage i.H.v. 4.031,69 DM (TOP 13c) und 3.310,29 DM (TOP 13d) und einen Rückstand aus der Jahresabrechnung 1997 i.H.v. 7.850,51 DM (TOP 4) aus den für ungültig erklärten Beschlüssen nicht fällig gestellt sind.

Es entspricht billigem Ermessen i.S.v. § 47 S. 1 WEG, der Gemeinschaft unter Einschluss der Antragstellerin die Gerichtskosten dritter Instanz aufzuerlegen, weil es ihr bisher nicht gelungen ist, einen neuen Verteilungsschlüssel wirksam zu regeln. Hinsichtlich eventueller außergerichtlicher Kosten der Antragstellerin bestand keine Veranlassung, von dem Grundsatz des § 47 S. 2 WEG abzuweichen, dass diese nicht erstattungsfähig sind.

Der Geschäftswert war gem. § 48 Abs. 3 WEG festzusetzen.

Dr. Briesemeister Kuhnke Kingreen

 

Fundstellen

Haufe-Index 1102949

ZMR 2002, 464

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?