Leitsatz (amtlich)

Das Urteil muss zwar nicht ausdrücklich mitteilen, welcher Toleranzabzug vorgenommen wurde. Der berücksichtigte Toleranzwert muss sich aber aus den Urteilsgründen unzweifelhaft ermitteln lassen.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 04.01.2018; Aktenzeichen (293 OWi) 3012 Js-OWi 15211/16 (1127/16))

 

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Januar 2018 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit (Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften) gemäß §§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2 (zu ergänzen: zu § 41 Abs. 1 Abschnitt 7. lfd. Nr. 49 [Zeichen 274]), 49 (zu ergänzen: Abs. 3 Nr. 4) StVO (zu ergänzen: i.V.m. § 1 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anlage [zu § 1 Abs. 1], Abschnitt I. lfd. Nr. 11.3 i.V.m. Tabelle 1 Buchst. c lfd. Nr. 11.3.6 BKatV) i.V.m. § 24 (zu ergänzen: Abs. 1) StVG zu einer Geldbuße von 180,00 Euro verurteilt, ein Fahrverbot gemäß § 25 (zu ergänzen: Abs. 1) StVG von einem Monat verhängt und diesbezüglich eine Wirksamkeitsbestimmung (zu ergänzen: gemäß § 25 Abs. 2a StVG) getroffen.

Zum Sachverhalt weist das Urteil folgende Feststellungen aus:

"Am 31.07.2016, um 07:49 Uhr, befuhr der Betroffene in 1.... Berlin als Führer des PKW xY die BAB 100 Nord, AS K vor K, Nord. Hierbei überschritt er die zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit lag bei 60 km/h. Die festgestellte Geschwindigkeit lag nach Abzug der Toleranz bei 91 km/h. Die Geschwindigkeitsüberschreitung hätte der Betroffene bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen und vermeiden können."

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.

Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, da die ihm zugrunde liegende Beweiswürdigung aufgrund ihrer Lückenhaftigkeit dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht die gebotene Überprüfung nicht ermöglicht.

Zwar ist die Würdigung der Beweise Sache des Tatrichters, das Rechtsbeschwerdegericht hat aber auf die Sachrüge zu prüfen, ob dem Tatrichter hierbei Rechtsfehler unterlaufen sind. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung unter anderem dann, wenn sie lückenhaft ist und deshalb nicht erkennen lässt, dass sie auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsichtigen Tatsachengrundlage beruht und die vom Gericht gezogene Schlussfolgerung nicht etwa nur eine Annahme ist oder sich als bloße Vermutung erweist, die letztlich nicht mehr als einen - wenn auch möglicherweise schwerwiegenden - Verdacht zu begründen vermag (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. etwa Beschluss vom 19. Januar 2018 - 3 Ws (B) 357/17 - m.w.N.).

Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Messung mit dem Gerät LEIVTEC XV3 um ein standardisiertes Messverfahren handelt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 1. Februar 2017 - 3 Ws (B) 7/17 - m.w.N. und 25. Januar 2017 - 3 Ws (B) 680/16 -; OLG Celle VRS 125, 178). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass - wie vom Amtsgericht in den Urteilsgründen mitgeteilt (UA S. 4) - das Verbindungskabel (gemeint sein dürfte das Kabel zwischen der Recheneinheit und der Bedieneinheit) des Messgeräts zum Zeitpunkt dessen Eichung eine nicht der Bauartzulassung entsprechende Länge von mehr als drei Metern hatte und vor der verfahrensgegenständlichen Messung auf eine - dadurch sodann der Bauartzulassung entsprechende - Länge von etwa 2,90 m gekürzt wurde (vgl. Senat VRS 131, 196; Beschlüsse vom 25. Januar 2017 a.a.O. - und 30. November 2016 - 3 Ws (B) 592/16 -). Denn ausweislich der im Internet veröffentlichten und damit frei zugänglichen Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin (PTB) vom 29. April 2016 zum Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 bestehen "keinerlei messtechnische Bedenken gegen die Verwendung von Kabeln mit mehr als 3 m Länge" und im Hinblick auf erfolgte Kabelkürzungen "aus Sicht der PTB [...] somit kein Anlass, aufgrund der verwendeten Kabellängen an der Korrektheit der Messung zu zweifeln" (vgl. Stellungnahme der PTB zur Kabellänge beim Geschwindigkeitsmessgerät XV3, Stand: 29. April 2016 / Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin. DOI: 10.7795/520.20160913D).

Im Falle standardisierter Messverfahren kann sich das Tatgericht auf die Mitteilung des verwendeten Messverfahrens, welches Gegenstand der Verurteilung ist, der gefahrenen Geschwindigkeit und der gewährten Toleranz beschränken; dies gilt nur dann nicht, wenn es konkrete Anhaltspunkte ...

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