Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 10.10.2016; Aktenzeichen 362 OWi 926/15) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. Oktober 2016 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Zuwiderhandlung gegen §§ 41 Abs. 1 i. V. m. Anlage 2 (Zeichen 274), 49 (zu ergänzen: Abs. 3 Nr. 4) StVO nach § 24 StVG zu einer Geldbuße von 120,00 Euro verurteilt Von der Anordnung des im Bußgeldbescheid enthaltenen Fahrverbots hat das Amtsgericht abgesehen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin, die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 OWiG nicht zulassungsbedürftig ist und mit der die Verletzung sachlichen Rechts gerügt wird, hat Erfolg.
Nach den Urteilsfeststellungen befuhr der Betroffene am 27. August 2015 als Führer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen ... die BAB 100 in Fahrtrichtung Nord in Höhe der Ausfahrt Kaiserdamm. Mit einem Geschwindigkeitsmessgerät Leivtec XV3 wurde eine von ihm gefahrene Geschwindigkeit von 94 km/h gemessen. Das Amtsgericht hat, ohne sachverständig beraten zu sein, von dieser gemessenen Geschwindigkeit einen Toleranzabzug von 9 km/h vorgenommen. Die zu diesem Ergebnis führende Beweiswürdigung ist rechtsfehlerhaft.
Ausweislich der Zulassung des fraglichen Messgerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist bei Geschwindigkeitsmessungen unter 100 km/h ein Toleranzabzug von 3 km/h erforderlich aber auch ausreichend. Das angefochtene Urteil begründet den höheren Toleranzabzug mit der "Kabelproblematik" und teilt dazu mit, dass das Verbindungskabel zwischen der Messeinheit und dem Bedienteil nach der Bauartzulassung maximal drei Meter lang sein darf, das in Berlin verwendete Kabel ursprünglich einige Zentimeter länger gewesen sei, seit dem 1. Juni 2015 (und mithin zum Zeitpunkt der Messung) jedoch ein der Bauartzulassung entsprechendes Kabel von nicht mehr als drei Metern Länge verwendet werde.
Gleichwohl geht das Amtsgericht aus nicht näher dargelegten Grünen davon aus, es habe ein formaler Verstoß gegen die Vorgaben der Bauartzulassung vorgelegen und die Zulassung des Geräts sei entgegen der eigentlichen Bauartzulassung erfolgt. Diese Ansicht wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen. Nach einer im Internet veröffentlichten und damit allgemeinkundigen Auskunft der PTB vom 29. April 2016 sind lediglich einige der betreffenden Geräte mit einem die zugelassenen Länge um wenige Zentimeter überschreitenden Kabel ausgeliefert worden. Feststellungen dazu, ob auch die Kabellänge bei dem für die Zulassung durch die PTB geprüften Exemplar drei Meter überschritten hat, sind dem Urteil nicht zu entnehmen. Da das Verbindungskabel des für die Geschwindigkeitsmessung des Betroffenen verwendete Messgerätes zum Zeitpunkt der Messung den Vorgaben der Bauartzulassung entsprochen hat, es sich damit bei der Geschwindigkeitsmessung um ein "standardisiertes Messverfahren" gehandelt hat und Anhaltspunkte für konkrete Fehlerquellen bei der Messung den Urteilsgründen nicht zu entnehmen sind, wäre von dem in der Bauartzulassung festgelegten Toleranzabzug von drei km/h auszugehen gewesen.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der Veröffentlichung der PTB auch zu entnehmen ist, dass schon vor geraumer Zeit durch ein anerkanntes Prüflabor festgestellt worden ist, dass ein geringfügig über drei Meter langes Verbindungskabel keinen Einfluss auf das Messergebnis hat.
Der Senat hebt daher das angefochtene Urteil auf und verweist die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurück.
Fundstellen
Dokument-Index HI10974912 |