Leitsatz (amtlich)
Die Aussetzung eines Anmeldeverfahrens wegen eines Geschäftsführerwechsels ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil ein Rechtsstreit wegen des der Anmeldung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis anhängig ist. An dem notwendigen wichtigen Grund zur Aussetzung fehlt es insbesondere dann, wenn das Klageverfahren keine ernsthaften Erfolgsaussichten hat.
Normenkette
FamFG §§ 21, 381; GmbHG § 39
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 82 HRB 193369) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom 21. April 2023 und 26. Mai 2023 wird der Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 14. April 2023 aufgehoben.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) - nachfolgend auch: "Gesellschaft" - ist seit dem Februar 2018 in das Handelsregister des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen. Gesellschafter sind Herr R ... A ..., der Beteiligte zu 2) - nachfolgend auch: Herr A - mit 80 % der Geschäftsanteile und Herr O ... N ..., der Beteiligte zu 3) - nachfolgend auch: Herr N - mit 20 % der Geschäftsanteile. Unternehmensgegenstand ist Gastronomie. Seit dem April 2022 ist Herr N als alleiniger Geschäftsführer der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen.
Zwischen den Herren A und N, die auch Mitgesellschafter der ... GmbH mit Sitz in Berlin sind, bestehen seit ca. August 2022 zunehmende Spannungen.
Auf Verlangen des Herrn A vom 18. Oktober 2022 lud Herr N als Geschäftsführer mit E-Mail vom 7. November 2022 zur einer Gesellschafterversammlung auf den 17. November 2022 ein. Diese Gesellschafterversammlung ließ Herr N mit Schreiben vom 16. November 2022 mit der Begründung absagen, dass er erkrankt sei. Ausweislich des beigefügten ärztlichen Attests litt er an akuten Bauchschmerzen, Durchfall und Erbrechen. Mit Einladungsschreiben vom 21. November 2022 lud Herr N zu einer Gesellschafterversammlung am 7. Dezember 2022 mit identischer Tagesordnung ein, die er mit Schreiben vom 7. Dezember 2022 unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest vom selben Tag absagen ließ. Gemäß diesem Attest war er an diesem Tag aufgrund einer akuten Erkrankung Durchfall und Erbrechen verhandlungsunfähig. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 lud Herr N zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf den 23. Dezember 2022 ein, die er mit E-Mail vom 23. Dezember 2022 unter Vorlage eines ärztlichen Attests vom Vortag erneut absagen ließ. Die Diagnosen entsprachen denen der vorherigen Atteste.
Mit dem u.a. an den jetzigen Prozessbevollmächtigten des Herrn N gerichteten Schreiben vom 13. Januar 2023 forderten die Prozessbevollmächtigten des Herrn A den Geschäftsführer N erneut auf, eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen. Dabei wurde angeboten, die Versammlung und die entsprechenden Beschlussfassungen auch im Wege eines Umlaufverfahrens oder im Wege einer Ton-Bild-Konferenz durchzuführen. Mit Schreiben vom 17. Januar 2023 wurde Herr N aufgefordert, Einsicht in die Bücher und Schriften der Gesellschaft zu gewähren. Eine Reaktion des Herrn N erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 18. Januar 2023 lud Herr N zur außerordentlichen Gesellschafterversammlung auf den 27. Januar 2023. Mit E-Mail Schreiben vom 26. Januar 2023 erklärte er, dass er diese Versammlung absetze, weil er aufgrund Erkrankung verhandlungsunfähig sei.
Mit Schreiben vom 1. Februar 2023 lud Herr A unter Bezugnahme auf ein Selbsthilferecht als Gesellschafter zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung zum 15. Februar 2023 ein. Mit E-Mail vom 14. Februar 2023 nebst ärztlichem Attest vom gleichen Tag, wonach er u.a. wegen Durchfalls und Bauchschmerzen verhandlungsunfähig erkrankt sei, sagte Herr N seine Teilnahme an dieser Gesellschafterversammlung ab. Zugleich forderte er Herrn A auf, den Termin aufzuheben bzw. auszusetzen und auf einen späteren Termin zu verlegen, um ihm die persönliche Teilnahme zu ermöglichen.
Gemäß dem Protokoll zur Gesellschafterversammlung am 15. Februar 2023 erschien allein Frau Rechtsanwältin S. S ... mit Vollmacht für Herrn A und stimmte in dessen Namen dafür, die Versammlungsleitung zu übernehmen. Gemäß dem genannten Protokoll wurde durch die folgenden Beschlussfassungen u.a. Herr N als Geschäftsführer abberufen und Herr A mit sofortiger Wirkung zum alleinvertretungsberechtigten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt. Frau S ... stellte demnach fest, dass sämtliche Beschlüsse mit den Stimmen von Herrn A gefasst wurden.
Gegen die Beschlüsse vom 15. Februar 2023 hat Herr N unter dem 13. März 2023 im Wege der Klageerweiterung des bei dem Landgericht Berlin unter dem GZ. 103 O 9/23 geführten Verfahrens eine Klage anhängig gemacht (im Folgenden: "die Klage"), über die noch nicht entschieden ist. Darin wird unter anderem beantragt, die Beschlüsse vom 15. Februar 2023 für nichtig zu erklären, hilfsweise deren Nichtigkeit festzustellen. Das Landgericht Berlin hat ferner mit Urteil vom 6. April 2023 zum GZ. 95 O 19/23 einen Antrag des Herrn N auf Erlass einer ei...