Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgebender Zeitpunkt für sanierungsrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit. Grundbuch
Leitsatz (amtlich)
Es handelt sich dann nicht um eine nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB genehmigungspflichtige Veräußerung eines Grundstücks im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet, wenn die förmliche Festlegung erst nach wirksamer Auflassung in Kraft tritt. Auf den Zeitpunkt der Stellung des Eigentumsumschreibungsantrages kommt es nicht an.
Normenkette
BauGB § 144; BGB § 925; GBO § 20
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 19.12.1995; Aktenzeichen 86 T 362/95) |
AG Berlin-Mitte (Beschluss vom 12.08.1995) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß und die Zwischenverfügung des Rechtspflegers des Amtsgerichts Mitte (Grundbuchamt) vom 12. August 1995 werden aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den darin geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
In notarieller Urkunde vom 20. Oktober 1994 verkaufte der eingetragene Eigentümer das Grundstück an die Beteiligte und ließ es an sie auf. Am 4. Dezember 1994 trat die Zehnte Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten vom 18. November 1994 (GVBl. für Berlin Seite 472) in Kraft, nach der das Grundstück in ein Sanierungsgebiet einbezogen wurde. Der Notar hat am 15. Februar 1995 für die Urkundsbeteiligten die Eigentumsumschreibung im Grundbuch beantragt. Am 6. März 1995 wurde in Abteilung II des Grundbuchs auf der Grundlage der genannten Verordnung ein sog. Sanierungsvermerk gemäß § 143 Abs. 4 BauGB eingetragen. Der Grundbuchrechtspfleger hat die Eigentumsumschreibung mit Zwischenverfügung vom 12. August 1995 von der Vorlage einer sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 BauGB abhängig gemacht. Die dagegen eingelegte und als Beschwerde vorgelegte Erinnerung der Antragsteller hat das Landgericht zurückgewiesen, weil es für die Genehmigungsbedürftigkeit auf den Zeitpunkt der Stellung des Eintragungsantrages ankomme. Dagegen richtet sich die durch den Notar eingelegte weitere Beschwerde der Antragsteller.
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 78 bis 80 GBO zulässig. Sie ist auch begründet, weil der dem Eintragungsantrag zugrundeliegende Grundstücksveräußerungsvertrag mit Auflassung wirksam vor dem Inkrafttreten der genannten Verordnung über die förmliche Festlegung von Sanierungsgebieten abgeschlossen worden ist und deshalb nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB genehmigungspflichtig ist. Auf den Zeitpunkt der Stellung des Eigentumsumschreibungsantrages kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht an. Der angefochtene Beschluß des Landgerichts und die ursprünglich angefochtene Zwischenverfügung des Grundbuchamtes vom 12. August 1995, mit der die beantragte Eintragung von der Vorlage einer sanierungsrechtlichen Genehmigung nach § 144 BauGB abhängig gemacht wird, sind daher aufzuheben.
Der angefochtene Beschluß des Landgerichts erweist sich nicht deshalb im Ergebnis als rechtsfehlerfrei, weil das Grundbuchamt schon wegen Zweifelhaftigkeit der Genehmigungsbedürftigkeit des Veräußerungsvorganges berechtigt wäre, dazu die Vorlage eines behördlichen Bescheids zu verlangen. Das folgt schon daraus, daß das Grundbuchamt die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit selbst abschließend beurteilt, die Vorlage einer Genehmigung nach § 144 BauGB verlangt und auf die Möglichkeit der Behebung des angenommenen Eintragungshindernisses durch Vorlage eines Negativzeugnisses (vgl. §§ 145, 23 BauGB) nicht hingewiesen hat. Im übrigen hat das Grundbuchamt die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit von Rechtsvorgängen grundsätzlich eigenverantwortlich zu prüfen und darf den Antragsteller nach sorgfältiger eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage nur bei begründeten Zweifeln, etwa an einer in Betracht kommenden Genehmigungsfreiheit, auf die Vorlage einer Negativbescheinigung verweisen (vgl. im einzelnen KG JFG 17, 74/76; BayObLGZ 1953, 438; BayObLG Rpfleger 1969, 301 und 1972, 408; Kuntze/Ertl/Herrmann/Eickmann, GBO, 4. Auflage, § 20 Rdn. 155, 156 m. w. N.). Solche Zweifel sind hier insbesondere deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit hier allein von der Auslegung der maßgebenden gesetzlichen Vorschriften abhängt, die von den Instanzen des Grundbuchverfahrens in gleicher Weise vorgenommen werden kann wie von der Genehmigungsbehörde (BayObLG Rpfleger 1972, 408).
Die Auffassung des Landgerichts, für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit eines Veräußerungsvorganges nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB komme es auf den Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Eintragung der Veräußerung im Grundbuch an, unterliegt durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Sie wird – soweit erörtert – mit Recht nicht geteilt (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 144 Rdn. 7 mitzutreffendem Hinweis auf den unveröffentlichten Beschluß des OLG Bremen vom 24. Januar 1973 – 1 W 88/72 – zur entsprechenden früheren Vorschrift des § 15 StBauFG; ebenso Schrödter/Köhler, BauGB, 5. Auflage, § 144 Rdn. 6). Vielmehr ergibt die Auslegung der Vorschrift des § 144 Abs. 2 Nr. 1 BauGB,...