Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 16.07.2013; Aktenzeichen (524) 274 Js 133/13 KLs (7/13))

 

Tenor

Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der Strafkammer 24 des Landgerichts Berlin vom 16. Juli 2013, soweit er die Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt L. betrifft, wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten der Beschwerde zu tragen.

 

Gründe

Die Jugendkammer des Landgerichts Berlin hat nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Beschwerdeführer und zwei Mitangeklagte, die sich seit dem 24. Januar 2013 in Untersuchungshaft befanden, am 7. Mai 2013 fünf Hauptverhandlungstermine für den 16. Juli 2013 sowie den 1., 22., 27. und 29. August 2013 festgesetzt. Mit der vom 5. bis zum 31. Juli 2013 urlaubsbedingt abwesenden und am 22. August 2013 wegen einer anderen Strafsache verhinderten Pflichtverteidigerin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin A., hat der Kammervorsitzende hierbei vereinbart, dass dem Beschwerdeführer "zur Sicherung des Verfahrens" ein zweiter Pflichtverteidiger beigeordnet werden soll, damit auch am ersten und dritten Terminstag jeweils uneingeschränkt verhandelt werden kann. Daraufhin hat sich Rechtsanwalt L. in Absprache mit Rechtsanwältin A. mit Schriftsatz vom 12. Juni 2013 als Verteidiger des Beschwerdeführers gemeldet und beantragt, ihn als zweiten Pflichtverteidiger beizuordnen. Diesem Antrag hat der Kammervorsitzende mit Beschluss vom 17. Juni 2013 entsprochen und "gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 1 StPO Rechtsanwalt L. zur Sicherung des Verfahrens" als weiteren Pflichtverteidiger bestellt. Im Hauptverhandlungstermin vom 16. Juli 2013 hat die mit zwei Berufsrichtern und zwei Jugendschöffen besetzte Jugendkammer das Verfahren aufgrund eines Besetzungseinwands ausgesetzt, elf neue Termine für Dezember 2013 und Januar 2014 festgesetzt, die Beiordnung von Rechtsanwalt L. aufgehoben und zur Begründung letzterer Entscheidung darauf verwiesen, dass die Beiordnung des zweiten Verteidigers "zur Sicherung einer schnellen Hauptverhandlung" erfolgt war. Gegen die Aufhebung der Beiordnung von Rechtsanwalt L. hat der Angeklagte Beschwerde eingelegt, der der Kammervorsitzende nicht abgeholfen hat. Die Haftbefehle gegen den Beschwerdeführer und seine Mitangeklagten hat der Senat im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach § 122 StPO mit Beschluss vom 6. August 2013 aufgehoben.

Die gegen die Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung von Rechtsanwalt L. gerichtete Beschwerde des Angeklagten ist gemäß § 304 StPO zulässig und insbesondere auch nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen, weil der angegriffene Beschluss mit der Urteilsfindung in keinem Zusammenhang steht, sondern hiervon unabhängig der Sicherung eines justizförmigen Verfahrens dient und dadurch eigenständige verfahrensrechtliche Bedeutung erlangt (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Februar 2010 - 4 Ws 15/10 - m.w.N.; Meyer-Goßner, StPO 56. Aufl., § 141 Rn. 10a, § 305 Rn. 5). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

1. Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Aufhebungsbeschluss hätte allein durch den Vorsitzenden, nicht aber durch die gesamte Jugendkammer gefasst werden müssen, führt dies nicht zur Aufhebung der Entscheidung.

Gemäß § 141 Abs. 4 StPO entscheidet über die Bestellung eines Verteidigers allein der Vorsitzende. Gleiches muss für den konträren Akt der Zurücknahme der Beiordnung gelten (vgl. Meyer-Goßner aaO., § 143 Rn. 1 m.w.N.). Hat dennoch das Gericht entschieden, nimmt die wohl herrschende Ansicht an, dass dies nicht zur Unwirksamkeit der Bestellung bzw. ihres Widerrufs führt (vgl. BGH NStZ 2004, 632, 633; BVerwG NJW 1969, 2029, 2030; Meyer-Goßner aaO., § 141 Rn. 6 m.w.N.; Laufhütte in: KK-StPO, 6. Auflage, § 141 Rn. 12; Heizmann in: KMR-StPO, 62. EL, § 141 Rn. 19). Die Gegenmeinung weist darauf hin, dass bei einem Gerichtsbeschluss die Möglichkeit besteht, dass der Vorsitzende überstimmt und damit ein anderes Ergebnis erzielt wurde, als wenn er (ordnungsgemäß) allein entschieden hätte (vgl. OLG Düsseldorf JMBl. 1998, 22, 23; OLG Hamm OLGSt § 141 StPO, 11; OLG Karlsruhe NJW 1974, 110).

Letztlich kann dies jedoch offen bleiben, da der Kammervorsitzende in seiner (ausschließlich von ihm getroffenen) Nichtabhilfeentscheidung verdeutlicht hat, dass die Aufhebung der Bestellung von Rechtsanwalt L. auch seinem Willen entspricht, womit ein möglicher Verfahrensfehler jedenfalls geheilt wäre.

2. Auch ein etwaiger Vertrauensschutz des Beschwerdeführers hindert das Landgericht an der Aufhebung der Pflichtverteidigerbestellung nicht.

a) Die Bestellung eines Pflichtverteidigers im Rahmen des § 140 Abs. 2 StPO gilt zwar grundsätzlich für das gesamte Verfahren bis zur Rechtskraft. Ist die Frage der Notwendigkeit der Verteidigung in irgendeinem Verfahrensstadium positiv beantwortet worden, muss es - abgesehen von den gesetzlich geregelten Ausnahmen nach den §§ 140 Abs. 3 S. 1, 143 StPO - insbesondere dann bei der Bestellung bleiben, wenn das Gericht lediglich seine rechtliche Auffassung über das Vorliegen der Voraussetzungen einer Pflichtver...

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