Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriterien für Übertragung von Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitssorge
Leitsatz (redaktionell)
Bei gleicher Erziehungseignung und Bindungstoleranz beider Eltern können die etwas intensivere Bindung der Kinder an einen Elternteil und der Kontinuitätsgrundsatz es rechtfertigen, diesem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge für die Kinder zu übertragen.
Normenkette
BGB § 1671
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 02.03.2009; Aktenzeichen 161 F 6953/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg vom 2.3.2009 sowie ihr Antrag, ihr für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten zu bewilligen, werden zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Mutter hat dem Vater die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die nicht miteinander verheirateten Eltern üben die elterliche Sorge für ihre beiden Töchter - die inzwischen 3-jährige Kun und die fast 2-jährige HMB - gemeinsam aus. Die Kinder sind nach der Mitte Mai 2008 erfolgten Trennung der Eltern im Haushalt des Vaters verblieben. Aufgrund einer vorläufigen Einigung vom 17.6.2008 (Bl. I 146 d.A.) leben die Kinder seither 4 Wochentage beim Vater und 3 Wochentage bei der Mutter.
Ungeachtet dessen haben beide Eltern im vorliegenden Verfahren jeweils die Übertragung der Alleinsorge für beide Töchter auf sich beantragt. Das AG hat im Zuge seiner Ermittlungen zunächst die Eltern und das Jugendamt angehört. Sodann hat es ein Gutachten der Diplom-Psychologin Jbb Jbhb zu den Fragen eingeholt, bei welchem Elternteil künftig der gewöhnliche Aufenthalt der Kinder sein soll, ob einem Elternteil die Gesundheitsfürsorge allein übertragen werden soll, und wie der Umgang des Elternteils mit den Kindern sein soll, bei dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht haben. Die Sachverständige hat ihr schriftliches Gutachten vom 24.9.2008 ergänzend auch mündlich im Beisein beider Eltern, ihrer Verfahrensbevollmächtigten und der zuständigen Jugendamtsmitarbeiterin erläutert (Bl. I 258 d.A.).
Mit Beschluss vom 2.3.2009 (Bl. I 273 d.A.) hat das AG - entsprechend der Empfehlung der Sachverständigen und des Jugendamtes - unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge der Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge für beide Kinder dem Vater allein übertragen. Zugleich hat es den Umgang der Mutter mit den Kindern entsprechend der bisherigen Praxis dahingehend geregelt, dass sie weiterhin 3 zusammenhängende Tage pro Woche mit den Kindern verbringen kann.
Der Beschluss ist der (vormaligen) Verfahrensbevollmächtigten der Mutter am 6.3.2009 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 6.4.2009 (Bl. II 1 ff. d.A.) hat die Mutter über ihren neuen Verfahrensbevollmächtigten gegen die Entscheidung Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, ihr das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht der Gesundheitsfürsorge für beide Töchter zu übertragen und den Umgang des Vaters mit den Kindern auf wöchentlich 2 Umgangstage (Freitag 9 Uhr bis Sonntag 9 Uhr) festzulegen, mit der Begründung, dass eine dahingehende Regelung kindeswohlgerechter sei und der Vater der amtsgerichtlichen Regelung berufsbedingt ohnehin nicht nachkommen könne.
Mit Schriftsatz vom 15.6.2009 (Bl. II 19 ff. d.A.) hat die Mutter ihre Beschwerde - ergänzend -damit begründet, dass die Entscheidung jegliche Auseinandersetzung mit ihren in den Schriftsätzen vom 27.10.2008 und 20.1.2009 gegen das Gutachten geäußerten Bedenken vermissen lasse. Insbesondere hat sie geltend gemacht, das AG habe ihr (der Mutter) -ebenso wie die Sachverständige - zu Unrecht mangelndes Unrechtsbewusstsein in Zusammenhang mit angeblich von ihr begangenen Straftaten unterstellt und dieses zu ihren ungunsten gewertet. Auch habe das Gericht völlig unkritisch den Sachvortrag des Vaters zur Elternzeit und den Betreuungsmöglichkeiten der Kinder übernommen. Tatsächlich würden die Mädchen überwiegend nicht von ihm, sondern seiner Mutter betreut werden. Unberücksichtigt geblieben sei auch die Tatsache, dass beide Kinder altersbedingt, nämlich besonders in den ersten drei Lebensjahren, auf eine kontinuierliche und umfassende Betreuung gerade der Mutter angewiesen seien. Schließlich sei auch die ihrer Meinung nach gebotene Beteiligung des für ihren Wohnsitz zuständigen Jugendamtes unterblieben. Wegen der Einzelheiten des Beschwerdevortrages der Mutter nimmt der Senat auf deren Ausführungen in den Schriftsätzen vom 6.4.2009 (Bl. II 7 f. d.A.),15.6.2009 (Bl. II 19 ff. d.A.), 3.8.2009 (Bl. II 43 ff. d.A.) und 15.10.2009 (Bl. II 61 ff. d.A.) Bezug.
Der Vater verteidigt den angegriffenen Beschluss als richtig und sachgerecht. Er tritt den einzelnen Rügen ausdrücklich entgegen. Wegen der Einzelheiten seines Vorbringens verweist der Senat auf die Ausführungen in den Schriftsä...