Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzungseinwand nach § 222b StPO
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Verkündet das Tatgericht vor der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 222b Abs. 3 StPO über die vorschriftsmäßige Besetzung ein Urteil, so ist das Vorabentscheidungsverfahren erledigt. Der Einwand vorschriftswidriger Besetzung kann sodann im Rahmen der Revision geltend gemacht werden.
2. Die zulässige Begründung der Besetzungsrüge erfordert gemäß § 222b Abs. 1 Satz 2 StPO eine geschlossene und vollständige Darstellung der Verfahrenstatsachen, die den behaupteten Besetzungsfehler begründen. Wird der Besetzungseinwand auf den Umfang der Akten gestützt wird, dürften konkrete Angaben zu dem tatsächlich zu bewältigenden Aktenbestand erforderlich sein.
3. Die in § 222b Abs. 2 Satz 1 StPO vorgesehene Entscheidung des Tatgerichts über seine ordnungsgemäße Besetzung ist durch mit Gründen versehenen Beschluss zu treffen. Sie dient insbesondere im Falle der Zurückweisung des Besetzungseinwands der Selbstüberprüfung und soll die ihr zugrundeliegenden Erwägungen für die Verfahrensbeteiligten sowie das Rechtsmittelgericht nachvollziehbar und überprüfbar machen.
(2. und 3. nicht tragend)
Normenkette
StPO § 222b
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 27.09.2023; Aktenzeichen (534) 251 Js 222/23 KLs (19/23)) |
Tenor
Der vom Nebenkläger erhobene Besetzungseinwand ist erledigt.
Eine Entscheidung über die Kosten und Auslagen ist nicht veranlasst.
Gründe
I.
Die große Strafkammer 34 des Landgerichts Berlin hat mit Beschluss vom 11. September 2023 unter Eröffnung des Hauptverfahrens die Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 9. August 2023 zur Hauptverhandlung zugelassen. Gleichzeitig hat sie hinsichtlich ihrer Besetzung in der Hauptverhandlung entschieden, dass diese gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 und Satz 4 GVG mit zwei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt sein wird. Mit Verfügung vom gleichen Tag hat der Vorsitzende die Zustellung des Eröffnungsbeschlusses veranlasst, Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. September 2023 anberaumt und die Ladung der Beteiligten sowie die Übersendung der Besetzungsmitteilung angeordnet. Mit Schriftsatz vom 14. September 2023 hat Rechtsanwalt A für den Nebenkläger B die Besetzung des Gerichts nach § 222b Abs. 1 StPO gerügt und bemängelt, dass die Kammer nach § 76 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 GVG keine Dreierbesetzung beschlossen hat. Im Rahmen der Begründung hat er ausgeführt, weshalb die Anberaumung der Verhandlung als Tagessache aufgrund des aus seiner Sicht erforderlichen Hauptverhandlungsprogramms, das neben der Inaugenscheinnahme eines einstündigen Tatvideos, der Hinzuziehung eines waffenkundigen Sachverständigen und weiterer Zeugen bestehen sollte, unzureichend sei. Ferner hat der Nebenkläger auf die in dem vor der 42. großen Strafkammer geführten Parallelverfahren bereits durchgeführten über 20 Hauptverhandlungstage hingewiesen, in dem unter anderem gegen fünf vermeintliche Mitbeteiligte an der vorliegend angeklagten Tat mit umfangreichem Prozessstoff und einem Aktenbestand von aktuell 21 Verfahrensbänden, 24 Sonderbänden und einer Beiakte verhandelt werde.
Vorliegend gebiete der Umfang der Akten, in die aufgrund der bislang lediglich gewährten Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle bis dato keine Einsicht genommen worden sei, sowie die erforderliche Hinzuziehung eines Dolmetschers und das aufgrund des (bislang) schweigenden Angeklagten gebotene Beweisprogramm die Besetzung der Kammer mit drei - statt nur zwei - Berufsrichtern.
In seiner Verfügung vom 18. September 2023 hat der Kammervorsitzende zunächst vermerkt, dass die Kammer nach Beratung den Besetzungseinwand für unbegründet halte. Eine Zweierbesetzung sei ausreichend, da die Hauptakten aus zwei Bänden bestünden und der Tatvorwurf gegen den einen Angeklagten überschaubar sei. Die Sache sei als Tagessache für den 27. September 2023 terminiert. Ferner sei nach dortiger Rechtsansicht im neuen Vorlageverfahren gemäß § 222b Abs. 3 StPO ein förmlicher Beschluss nicht erforderlich. Sodann hat der Kammervorsitzende die Vorlage des Besetzungseinwands - über die Staatsanwaltschaft Berlin - an das Kammergericht verfügt.
Der Beschwerdeband ging nebst Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom gleichen Tag am 26. September 2023 beim Senat ein. Von hier aus wurde dem Verteidiger und Rechtsanwalt A Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Vermerk des Vorsitzenden und der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Berlin bis zum 28. September 2023, 12 Uhr gewährt. Der vor Fristablauf eingegangene Schriftsatz von Rechtsanwalt A lag vor.
In der Hauptverhandlung am 27. September 2023 hat die 34. große Strafkammer den Angeklagten wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung und zur Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.
II.
Der Besetzungseinwand des Nebenklägers ist durch das erga...