Leitsatz (amtlich)
Eine ärztliche Bescheinigung, die weder eine ärztliche Diagnose noch eine ärztliche Feststellung zu einem krankhaften Befund enthält, sondern sich lediglich auf den Hinweis beschränkt, der Patient habe erklärt, sich subjektiv krank bzw. nicht vernehmungsfähig zu fühlen, stellt grundsätzlich keine genügende Entschuldigung im Sinne von §§ 128 Abs. 4 FamFG, 381 Abs. 1 ZPO für das Fernbleiben von einem Termin dar, zu dem das persönliche Erscheinen angeordnet worden ist.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 84 F 77/20) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den am 15. Oktober 2020 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 84 F 77/20 - wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich dagegen, dass das Familiengericht gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR verhängt hat, weil er trotz ordnungsgemäßer Ladung der familiengerichtlichen Anordnung, zur Anhörung im Scheidungstermin vom 29. September 2020 persönlich zu erscheinen, nicht gefolgt und dem Termin ferngeblieben ist.
II. 1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht angebracht worden (§ 128 Abs. 4 FamFG, §§ 380 Abs. 1, 3, 567ff. ZPO), in der Sache selbst jedoch nicht begründet und deshalb zurückzuweisen:
a) Mit Telefax vom 28. September 2020 hat der Antragsgegner über seine Verfahrensbevollmächtigte beantragt, den für den Folgetag (Dienstag, 29. September 2020) anberaumten Termin in der Ehesache, zu dem das persönliche Erscheinen beider Beteiligter angeordnet worden war, aufzuheben. Zur Begründung hat er darauf verwiesen, erkrankt zu sein. Dazu hat er einen ausführlichen, fünf Seiten umfassenden Bericht der Rettungsstelle des ... Klinikums B ...-K ... vom 28. September 2020 vorgelegt. Diesem Bericht zufolge hat er sich dort am Montag, 28. September 2020 mit Brust- und Bauchschmerzen, die seit etwa einem Jahr - Brustschmerz - bzw. seit mehreren Wochen - Bauchschmerzen - wiederkehrend seien, dem Arzt vorgestellt. Nach einer eingehenden Untersuchung des Antragsgegners, einschließlich der Anfertigung eines Elektrokardiogramms und eines Röntgenbefunds von Unterleib und Brust sowie einer ausführlichen Laboruntersuchung diagnostizierte der Arzt nicht näher bezeichnete Brustschmerzen (ICD R07.4), Schmerzen in anderen Teilen des Unterbauchs (ICD R10.3) und Koprostase (ICD K56.4). Die Untersuchung schloss der Arzt mit dem folgenden abschließenden Befund ab: "Die Beschwerden des Patienten bestehen [in der vorgelegten Kopie unleserlich] aufgrund von Koprostase. Hinweise auf ein [unleserlich] oder eine akute entzündliche Erkrankung des Abdomens bestehen nicht. (...)". Der Antragsgegner wurde am gleichen Tag gegen 14:20 Uhr nach Hause entlassen. Ihm wurden Mikrolax - ein sanftes Mittel gegen Verstopfung - sowie Bittersalz - ein Abführmittel - mitgegeben. Der Anhörungstermin vom 29. September 2020 wurde nicht aufgehoben.
Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht gegen den Antragsgegner aufgrund des Fernbleibens im Anhörungstermin ein Ordnungsgeld in Höhe von 200 EUR verhängt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, das vorgelegte ärztliche Zeugnis vom 28. September 2020 belege keine Verhandlungsunfähigkeit, sondern der Antragsgegner sei nach wenigen Stunden Untersuchung ohne gravierenden Befund entlassen worden.
Mit der Beschwerdeschrift vom 23. Oktober 2020 hat der Antragsgegner das Attest eines niedergelassenen Allgemeinmediziners vom 29. September 2020 vorgelegt, wonach er sich am Terminstag - dem 29. September 2020 - dort zwischen 11 und 12:30 Uhr vorgestellt habe. Der Arzt hat auf dem Zeugnis u.a. notiert, der Antragsgegner habe angegeben, starke Thoraxschmerzen zu haben und sich nicht vernehmungsfähig zu fühlen. Weiter heißt es dort, die Vorstellung in der Klinik am Vortag habe keinen pathologischen Befund ergeben. Der Arzt hat ihm eine weitere kardiale Abklärung empfohlen.
b) Nach dem Gesetz ist das verhängte Ordnungsgeld aufzuheben, wenn der beteiligte Ehegatte sein Ausbleiben "genügend entschuldigt" (§§ 128 Abs. 4 FamFG, 381 Abs. 1 Satz 1, 3 ZPO). Die Entschuldigung ist "genügend", wenn dem Beteiligten bei Würdigung aller Umstände ein Erscheinen nicht zugemutet werden kann (vgl. Thomas/Putzo-Reichold, ZPO [41. Aufl. 2020], § 381 Rn. 2f.). Das Gericht ist hierbei nicht an die Beweisaufnahmevorschriften gebunden, sondern es genügt die Glaubhaftmachung (vgl. Zöller/Greger, ZPO [33. Aufl. 2020], § 381 Rn. 2). Eine genügende Entschuldigung vermochte der Antragsgegner indessen nicht glaubhaft zu machen:
Aufgrund der umfassenden Untersuchung im Klinikum steht fest, dass der Antragsgegner an keiner akuten, pathologischen Erkrankung litt. Dafür, dass er sich nach der Untersuchung am Nachmittag des 28. September 2020 in der Klinik bis zur Terminsstunde am Vormittag des 29. September 2020 eine weitere bzw. erneute Erkrankung zugezogen hätte, ist nichts ersichtlich. Das ergibt sich insbesondere nicht aus dem vorgelegten ärztlichen Z...