Leitsatz (amtlich)
1. Das Opfer eines Stalkers hat ein berechtigtes Interesse daran, diesen bei einem wiederholten Verstoß gegen einen gerichtlich gebilligten Vergleich in einer Gewaltschutzsache zu Beweissicherungszwecken zu fotografieren mit der Folge, dass der mit diesem Handeln objektiv verwirklichte Verstoß gegen das auch vom Opfer zugesagte, im Vergleich vereinbarte Kontakt- und Näherungsverbot gerechtfertigt ist und gegen das Opfer keine Ordnungsmittel festzusetzen sind.
2. Der Beschluss, mit dem in einem Ordnungsmittelverfahren der Antrag zurückgewiesen wurde, wegen eines behaupteten Verstoßes gegen einen vorliegenden Gewaltschutzbeschluss gegen den Täter Ordnungsmittel zu verhängen, stellt keine Endentscheidung mit Dauerwirkung dar, die nach einer Änderung der Sach- oder Rechtslage gemäß § 48 Abs. 1 FamFG abgeändert werden könnte.
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 90 F 150/20) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird - unter gleichzeitiger Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - der am 5. Februar 2021 erlassene Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 90 F 150/20 - wie folgt abgeändert:
Die in Ziff. 2 des Beschlusstenors angeordnete Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Antragstellerin und die Festsetzung von Ordnungshaft für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann, werden aufgehoben und der entsprechende Antrag des Antragsgegners vom 16. Dezember 2020, gegen die Antragstellerin wegen eines von ihm behaupteten Verstoßes gegen den gerichtlich gebilligten Vergleich vom 13. November 2020 Ordnungsgeld oder Ordnungshaft festzusetzen, zurückgewiesen.
Die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind von den Beteiligten jeweils zur Hälfte zu tragen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht mit dem angegriffenen, am 5. Februar 2021 erlassenen Beschluss gegen sie ein Ordnungsgeld verhängt hat, weil sie einem am 13. November 2020 abgeschlossenen, familiengerichtlich bestätigten Vergleich in einer einstweiligen Gewaltschutzsache zuwidergehandelt haben soll. Sie wendet sich weiter dagegen, dass das Familiengericht mit dem nämlichen Beschluss ihren Antrag zurückgewiesen hat, einen am 30. Juli 2020 im Verfahren Amtsgericht Schöneberg 90 F 226/18 erlassenen Beschluss abzuändern, mit dem ein Antrag von ihr zurückgewiesen worden war, gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld festzusetzen.
Die Antragstellerin war von etwa 2013 bis April 2017 die Lebenspartnerin des Antragsgegners. Seit der Trennung der Beteiligten wird die Antragstellerin von ihm "gestalkt". Er soll ihr entweder vor ihrer ...praxis in B...-... oder vor ihrer Wohnung, selbst nach dem sie die Wohnung gewechselt und in einen anderen Stadtteil verzogen ist, aufgelauert haben. Auch an öffentlichen Plätzen - Cafés oder Biergärten - soll er ihr wiederholt nachgestellt haben, obwohl die Antragsgegnerin ihm mehrfach und unmissverständlich zu verstehen gegeben hat, weder von ihm verfolgt oder beobachtet werden zu wollen noch, dass er auf elektronischem Wege mit ihr in Kontakt tritt.
Gleichwohl hat der Antragsgegner sein Verhalten unverändert fortgesetzt. Im Schreiben vom 9. Mai 2018 hat er u.a. eingeräumt, die Antragstellerin in der Zeit zwischen Juli 2017 und Anfang Mai 2018 gestalkt und per SMS oder WhatsApp beleidigt zu haben. In diesem Schreiben hat er weiter eingestanden, sich darüber bewusst gewesen zu sein, dass er durch sein Verhalten die Antragstellerin und deren Kinder verängstige und einschüchtere. Er hat schließlich erklärt, im Wiederholungsfall als Schadensersatz 100.000 EUR zahlen zu wollen.
Unter dem 15. Oktober 2018 hat die Antragstellerin beantragt, gegen den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung ein Kontakt- und Näherungsverbot zu erlassen, weil der Antragsgegner sein Verhalten trotz seines Strafversprechens von Mai 2018 fortgesetzt habe. Mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 (Amtsgericht Schöneberg 90 F 226/18) hat das Familiengericht ein bis April 2019 befristetes einstweiliges Kontakt- und Näherungsverbot erlassen. Auf der Grundlage dieses Beschlusses hat die Antragstellerin am 9. Januar 2019 einen Ordnungsgeldantrag angebracht, weil der Antragsgegner sie unverändert weiter belästigt haben soll. In dem daraufhin anberaumten Anhörungstermin vom 3. April 2019 im Verfahren 90 F 226/18 wurde kein Ordnungsmittel festgesetzt, sondern die Beteiligten haben sich in Abänderung des Gewaltschutzbeschlusses vom 16. Oktober 2018 vergleichsweise auf ein neues, bis Ende April 2020 befristetes Kontakt- und Näherungsverbot geeinigt; vom Familiengericht wurde dieser Vergleich gemäß § 214a FamFG bestätigt.
Mit Antrag vom 29. Mai 2019 hat die Antragstellerin, gestützt auf diesen Vergleich, erneut einen Ordnungsgeldantrag angebracht und vorgetragen, der Antragsgegner habe sie wiederum in mindestens fünf Fällen belästigt. Gegen den Antragsgegner wurde deshalb mit Beschluss vom 19...