Leitsatz (amtlich)

1. Das Unterlassungsverbot in einer Gewaltschutzsache muss so konkret gefasst sein, dass der Schuldner weiß, was er unterlassen soll und es im Fall, dass eine Vollstreckung des Verbots erforderlich werden sollte, nicht dem Vollstreckungsorgan überlassen bleibt, über die Reichweite des Verbots zu entscheiden. Deshalb ist das an den Schuldner gerichtete Verbot, sich der Wohnung des Gläubigers unter einer bestimmten, im Titel genannten Anschrift zu nähern, nicht geeignet, um dem Schuldner die Annäherung an eine andere, vom Gläubiger genutzten Wohnung zu untersagen, in die er zwischenzeitlich umgezogen ist.

2. Der Gläubiger eines Gewaltschutzbeschlusses, der die Festsetzung von Ordnungsmitteln gegen den Schuldner beantragt, hat die behaupteten Verstöße des Schuldners gegen die gerichtliche Anordnung nachvollziehbar, plastisch und detailreich zu schildern, wobei dazu im Einzelfall auch eine Schilderung der Umstände gehören kann, wie die behaupteten Verstöße von ihm festgestellt worden sind.

3. Im Vollstreckungsverfahren ist vom Gläubiger der Vollbeweis eines schuldhaften Verstoßes des Schuldners gegen die ergangene Gewaltschutzanordnung zu führen. Dabei bleibt es auch dann, wenn die Gewaltschutzanordnung in einem einstweiligen Anordnungsverfahren auf die bloße Glaubhaftmachung der Anordnungsvoraussetzungen ergangen ist.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Schöneberg (Aktenzeichen 90 F 226/18)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 30. Juli 2020 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Schöneberg - 90 F 226/18 - wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass das Familiengericht ihren Antrag vom 15. Mai 2020 zurückgewiesen hat, gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld zu verhängen, weil er gegen den am 3. April 2019 abgeschlossenen, familiengerichtlich bestätigten Vergleich in einer einstweiligen Gewaltschutzsache nach § 1 GewSchG zuwidergehandelt haben soll.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner, der bis April 2017 ihr Lebenspartner war, im Oktober 2018 eine im Wege der einstweiligen Anordnung erlassene Gewaltschutzanordnung erwirkt, mit der dem Antragsgegner bei Meidung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft bis zum 16. April 2019 untersagt wurde, sich der Wohnung oder der ... praxis der Antragstellerin auf weniger als 50m zu nähern oder mit der Antragstellerin in Kontakt zu treten. Der Antragsgegner hat seinerzeit schriftlich eingeräumt, dass er die Antragstellerin "gestalkt" und sie und ihre Kinder dadurch massiv verängstigt hat; er hat sich in der abgegebenen Erklärung verpflichtet, künftige Nachstellungen zu unterlassen. Da der Antragsgegner sich in der Folgezeit wiederholt weder an seine Selbstverpflichtung noch an das gerichtliche Kontaktverbot hielt, brachte die Antragstellerin am 9. Januar 2019 einen ersten Ordnungsgeldantrag an. In dem daraufhin auf den 3. April 2019 anberaumten Termin einigten sich die Beteiligten zur Erledigung des Ordnungsgeldverfahrens vergleichsweise darauf, dass es der Antragsgegner bis zum 30. April 2020 u.a. unterlässt, die Wohnung der Antragstellerin in der H ... Straße in ... B ... zu betreten, sich der Wohnung oder der - unter Angabe der Anschrift konkret bezeichneten - ... praxis der Antragstellerin auf eine Entfernung von weniger als 500m zu nähern oder sich - in Bezug auf die Wohnung - dort in einer Entfernung von weniger als 500m ohne vorherige Zustimmung aufzuhalten oder mit der Antragstellerin in Kontakt zu treten. Der Vergleich wurde gerichtlich bestätigt und dem Antragsgegner für den Fall einer Zuwiderhandlung die Verhängung von Ordnungsmitteln angedroht. Wenige Wochen darauf hat die Antragstellerin erneut einen Ordnungsgeldantrag gestellt, weil der Antragsgegner dem Vergleich beginnend ab dem 9. April 2019 wiederholt zuwidergehandelt und die Antragstellerin erneut im öffentlichen Raum, in einem Krankenhaus oder vor ihrer Wohnung verfolgt bzw. abgepasst hat und die massiven Nachstellungen bei ihr Angststörungen und Schlaflosigkeit hervorgerufen haben. Der Antragsgegner hat die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritten; er meinte, es habe sich lediglich um zufällige Begegnungen gehandelt. Mit Beschluss vom 19. August 2019 hat das Familiengericht gegen den Antragsgegner wegen mehrfacher Zuwiderhandlungen gegen den gerichtlich bestätigten Vergleich vom 3. April 2019 ein Ordnungsgeld verhängt in Höhe von 1.000 EUR, ersatzweise 10 Tage Ordnungshaft. Die vom Antragsgegner hiergegen angebrachte sofortige Beschwerde wurde von ihm im weiteren Verlauf zurückgenommen.

Am 15. Mai 2020 hat die Antragstellerin erneut beantragt, gegen den Antragsgegner ein Ordnungsgeld festzusetzen, weil er u.a. am 5. April 2020 sich in der H ... allee, etwa 300m von ihrer Wohnung entfernt, aufgehalten habe; am 8. April 2020 sich erneut in der H ... allee, etwa 200m von der Wohnung entfernt, aufgehalten habe und mit dem Linienbus wiederholt in der Straße vor ihrer Wohnung auf- und abgefahren sei. Am 25. Mai 2020 - später kor...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge