Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 09.11.2011; Aktenzeichen (563) 5 Op Js 1427/10 Ls Ns (26/11)) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. November 2011 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 3. Dezember 2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Fall 1: Der Angeklagte verkaufte am 17. April 2010 einer unbekannt gebliebenen Person im Volkspark Hasenheide ein Szenetütchen Marihuana für zehn Euro und führte weitere 3,445 g Marihuana zum gewinnbringenden Weiterverkauf mit sich.
Fall 2: Der Angeklagte verkaufte am 2. August 2010 zwischen 14.30 Uhr und 16.30 Uhr im Volkspark Hasenheide an den Zeugen A. 0,8 g Marihuana zum Preis von 10,00 Euro, an den Zeugen D. 1,4 g Marihuana und an den Zeugen A. 0,7 g Marihuana.
Die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt, mit der er - nicht näher ausgeführt - die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Die Revision hat mit der Sachrüge Erfolg. Im Fall 1 (Tat vom 17. April 2010) ist das Landgericht zu Unrecht von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen und im Fall 2 (Tat vom 2. August 2010) war zwar die Beschränkung wirksam, aber der Strafausspruch wegen fehlender Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Betäubungsmittel aufzuheben.
1. Auf die Sachrüge hat der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob das Landgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst wurden. Das wäre nicht der Fall, wenn es zu Unrecht von der Wirksamkeit einer Berufungsbeschränkung ausgegangen ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 319 Rn. 33).
Eine Beschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch ist nicht wirksam, wenn die tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils so dürftig, unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind, dass sie keine hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung bilden (BGHSt 33, 59; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., § 318 Rn. 16). Ansonsten gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Danach führt nicht jeder Mangel des infolge der Beschränkung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsenden Teils des Urteils, insbesondere auch nicht jede Lücke in den Schuldfeststellungen, zur Unwirksamkeit der Beschränkung. Das gilt auch, wenn infolge der Unvollständigkeit die Feststellungen für die erneut vorzunehmende Strafzumessung zu ergänzen sind, solange die neu zu treffenden Feststellungen den bindend gewordenen nicht widersprechen und der Schuldspruch als solcher davon nicht betroffen sein kann. Auch beim Fehlen von Angaben zum Wirkstoffgehalt des Betäubungsmittels kann der Schuldspruch je nach Lage des Einzelfalles - wenn tatbestandliche Voraussetzungen, wie zum Beispiel das Vorliegen einer nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, nicht in Frage stehen - revisionsrechtlicher Prüfung standhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Januar 2012 - (4) 1 Ss 466/11 (322/11) -m.w.Nachw.; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 59).
a) Nach diesen Grundsätzen war die Beschränkung der Berufung im Fall 1 nicht wirksam, denn es fehlte (zusätzlich zu Feststellungen zur Wirkstoffkonzentration) bereits an konkreten Angaben dazu, mit welcher Menge Marihuana der Angeklagte handelte. Den Urteilsgründen ist zwar zu entnehmen, dass der Angeklagte 3,445 g zum Verkauf bestimmtes Marihuana mit sich führte. Sie teilen aber nicht mit, welches Gewicht das "Szenetütchen" Marihuana hatte, das der Angeklagte zuvor zum Preis von zehn Euro verkauft hatte. Damit sind die Urteilsgründe lückenhaft. Entweder trifft das Tatgericht insoweit konkrete Feststellungen (und sei es, anknüpfend an den Preis, im Wege der Schätzung - ggf. unter Anwendung des Zweifelssatzes -) oder es verfährt, die Zustimmung der Staatsanwaltschaft vorausgesetzt, nach § 154a Abs. 2 StPO und nimmt diesen Verkaufakt der einheitlichen Tat von der Strafverfolgung aus. Fehlen - wie hier - Angaben zum gehandelten Gewicht der Betäubungsmittel und zum Wirkstoffgehalt, bilden die Feststellungen keine ausreichende Grundlage für den Schuld- und Strafausspruch, weshalb die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch im Fall 1 unwirksam war.
b) Im Fall 2 ist di...