Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 21.09.2017; Aktenzeichen 322 OWi 386/17) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 21. September 2017 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer innerorts vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 280 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot gegen ihn angeordnet. Der Betroffene wendet sich gegen das Urteil mit der Rechtsbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Inbegriffsrüge Erfolg.
1. Die Rüge, das Amtsgericht habe sein Erkenntnis auf ein Beweismittel gestützt, das nicht Gegenstand der Hauptverhandlung war, ist zulässig erhoben.
2. Die Inbegriffsrüge, namentlich der Eichschein sei lediglich in Augenschein genommen, nicht aber durch Verlesung wirksam in die Hauptverhandlung eingeführt worden, ist auch begründet. Die Generalstaatsanwaltschaft hat insoweit ausgeführt:
"Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls (Blatt 108-111 d. A.) vom 21. September 2017, dem gemäß § 274 StPO im Hinblick auf die wesentlichen Förmlichkeiten der Verlesung einer Urkunde und der Augenscheinseinnahmen auch eine negative Beweiskraft zukommt (vgl. BGH wistra 1992, 30; KG Berlin, Beschluss vom 24. Juni 2009 - (4) 1 Ss 211/09 (148/09) -, [juris] m.w.N.), ist belegt, dass der Eichschein und die Schulungsurkunde (nur) in Augenschein genommen worden sind (Bl. 109 d. A.); eine Verlesung des Eichscheins sowie der Schulungsurkunde ist - entgegen den Ausführungen in den Urteilsgründen (UA S. 4) - jedoch nicht erfolgt. Es ist - wie von dem Beschwerdeführer gerügt - aus dem Protokoll auch nicht erkennbar, dass das erkennende Gericht durch die Bekanntgabe des wesentlichen Inhalts nach § 78 Abs. 1 OWiG die Beweismittel ordnungsgemäß in das Verfahren eingeführt hätte. Weiter ergibt sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung auch nicht, dass das Amtsgericht die Beweismittel etwa im Wege des Vorhalts im Rahmen der Vernehmung des Zeugen ... in die Hauptverhandlung eingeführt hätte.
Die ausweislich des Protokolls ausschließlich erfolgte Augenscheinseinnahme der vorgenannten Urkunden war keine zureichende Beweiserhebung, weil diese nur dann gegeben ist, wenn es nicht - wie hier - auf den Inhalt der Urkunde, sondern nur auf deren Vorhandensein oder den Zustand ankommt (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 37). Demgegenüber kann der durch Schrift dokumentierte Inhalt einer Urkunde nur durch Verlesung nach §§ 249 ff. StPO bzw. nach § 78 Abs. 1 OWiG in die Hauptverhandlung eingeführt werden (...)."
Diesen zutreffenden Ausführungen folgt der Senat.
3. Da nicht auszuschließen ist, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht, war es insgesamt aufzuheben, und die Sache war an das Amtsgericht Tiergarten zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Fundstellen
Dokument-Index HI11959866 |