Leitsatz (amtlich)
Nach den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (hier:§ 1 Abs. 3 AUB 2008) liegt ein Unfall vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Davon können auch Ereignisse umfasst sein, die sich objektiv nicht innerhalb eines kurzen Zeitraumes ereigneten, wenn sie für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind.
Für diesen subjektiven Begriff der Plötzlichkeit kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem Betroffenendie Einwirkung äußerer Umstände auf seinen Körper bekannt ist, sondern darauf, dass er mit deren schädigender Wirkung nicht rechnet. Die Kenntnis des Tauchers von der Veränderung der Druck- und Sauerstoffverhältnisse beim Auftauchen steht deshalb einem Unfallereignis im Sinne der Bedingungen bei dem Erleiden einer Dekrompressionskrankheit nicht von vornherein entgegen.
Normenkette
VVG § 1 S. 1; AUB 2008 § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 7 O 31/15) |
Tenor
In dem Rechtsstreit S ./. ...Versicherungs-AG wird der Kläger darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Berlin vom 24.9.2015 durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach dem Ergebnis der Vorberatung offensichtlich unbegründet ist und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Verfahrensweise nach dieser Vorschrift vorliegen.
Gründe
1. Das LG hat die Klage auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 225.000 Euro abgewiesen, weil der Kläger schon die Voraussetzungen eines Unfalls im Sinne des § 1 Abs. 3 AUB 2008 ("Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis (Unfallereignis) unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet") nicht dargelegt habe. Es fehle an der zeitlichen Komponente des Unfallbegriffs ("plötzlich"). Denn der Kläger habe lediglich vorgetragen, er sei nach einem Tauchgang "zu schnell" aufgetaucht, wodurch sich eine Dekompressionskrankheit und eine mit 100 % zu bemessende Invalidität entwickelt habe. Mit diesem Vortrag werde nicht erkennbar, dass der Auftauchvorgang objektiv innerhalb eines kurzen Zeitraums erfolgt ist. Zwar könnten auch Ereignisse vom Versicherungsschutz umfasst sein, die sich objektiv nicht innerhalb eines kurzen Zeitraums ereigneten, wenn sie für den Betroffenen unerwartet, überraschend und unentrinnbar sind. Auch diese Voraussetzungen lege der Kläger jedoch nicht dar, da jedem Taucher beim Auftauchen gewärtig sei bzw. sein müsse, dass der Wasserdruck abnimmt. Die Veränderung der Luftdruck- und Sauerstoffverhältnisse seien nach objektiven Maßstäben nicht überraschend und unentrinnbar, die Gesetzmäßigkeit der Druckverhältnisse sei vielmehr allgemein bekannt. Das könne anders sein, wenn der Auftauchvorgang selbst durch ungewollte und ungeplante Umstände gestört worden sei. Der behauptete Krampf im linken Bein sei aber lediglich Anlass für das früher als geplante Auftauchen gewesen, das behauptete "zu schnelle" Auftauchen lasse eine Störung ebenfalls nicht erkennen. Im Übrigen habe er weder für den "Krampf" noch für das "zu schnelle" Auftauchen Beweis angetreten. Auf den Tatbestand, die dort enthaltenen Anträge und die Entscheidungsgründe des Urteils vom 24.9.2015 wird verwiesen.
2. Der Kläger verfolgt mit seiner zulässigen Berufung seinen erstinstanzlichen Antrag weiter und rügt, das LG habe die Darlegungslast überspannt und die durch die Umstände des Unfalls bedingte Beweisnot nicht berücksichtigt. Es hätte über sein Vorbringen zu den Unfallfolgen das von ihm angebotene Sachverständigengutachten einholen müssen.
Hinsichtlich der Darlegungslast hätte es nicht außer Acht lassen dürfen, dass ihm bereits eine konkrete Behauptung zur Dauer der Auftauchphase wegen der wadenkrampfbedingten Auftauchphase und der sich ausbildenden Caissonkrankheit sowie der daraus folgenden hirnorganischen Schädigungen nicht möglich war. Ein zu schnelles Auftauchen bedeute naturgemäß, dass er die vorgeschriebenen Zwischenaufenthalte nicht eingehalten habe. Das Auftauchen aus 25 m Tiefe nehme nach als allgemein bekannt vorauszusetzenden Grundsätzen nur wenige Sekunden, jedenfalls weit weniger als eine Minute in Anspruch. Die Zweifel am Vorliegen eines innerhalb eines kurzen Zeitraums plötzlich auf seinen Körper einwirkenden Geschehens seien deshalb nicht gerechtfertigt gewesen. Auch das im Begriff der Plötzlichkeit enthaltene subjektive Moment der Unentrinnbarkeit des weiteren Geschehensablaufes sei bei Nichteinhaltung der vorgeschriebenen und notwendigen Zwischenstopps gegeben; denn als Folge deren Nichteinhaltung sei die Dekompression nicht aufzuhalten gewesen und die Gasembolie habe sich zwangsläufig entwickelt. Das LG habe ersichtlich den Inhalt seines Vortrages verkannt, indem es eine Störung des Auftauchvorgangs durch ungewollte und ungeplante Umstände darin nicht erkennen konnte, und jedenfal...